Digitale Wirtschaft: Deutschland muss aufholen

Die Expertenkommission EFI warnt: Deutschland ist bei der Digitalisierung bestenfalls Mittelmaß. Vor allem die Bedingungen für Startups müssen verbessert werden.

In ihrem aktuellen Jahresgutachten weist die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) darauf hin, dass „deutsche Unternehmen bei der Nutzung neuer digitaler Möglichkeiten derzeit allenfalls internationales Mittelmaß sind“, wie es der Vorsitzende der Kommission, Prof. Dietmar Harhoff vom Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb, in seinem Vortrag bedauernd kommentiert.

 

 

Deutsche Unternehmen „haben, mit wenigen Ausnahmen, in den neuen Bereichen der digitalen Wirtschaft bislang keine Stärken aufgebaut. Es sind US-Unternehmen wie beispielsweise Apple, Google, Amazon oder Facebook, die die Aktivitäten in der internationalen Internetwirtschaft dominieren und treiben.“ Diese Dominanz ist bemerkenswert: Allein die Marktkapitalisierung der digitalen US-Unternehmen war im Jahr 2015 mit 1.159 Milliarden Euro über 34-mal so groß wie die gesamte Internetwirtschaft in Deutschland (34 Milliarden Euro). Die Internetriesen aus den USA expandieren in immer neue Anwendungsfelder und Branchen. Besondere Sorge bereitet den Innovationsexperten der EFI die Tatsache, dass ein Großteil des deutschen Mittelstands den digitalen Wandel noch nicht mit der erforderlichen Intensität verfolgt.

Cloud Computing und Big Data befördern Wachstum

Innovative Geschäftsmodelle der digitalen Wirtschaft, die auf software- und internetbasierten Technologien wie Cloud Computing (ausgelagerte Datenwolken) und der Auswertung großer Datenmengen (Big Data) aufbauen, würden vorwiegend von jungen Unternehmen verfolgt – diese treiben das Wachstum der Internetwirtschaft. „Datengetriebene Dienste, Datenanalytik und Geschäftsmodelle“, so Prof. Harhoff, „werden zu eigenständigen Wertquellen. Wenn Unternehmen diese Entwicklung nicht aufgreifen, besteht die Gefahr, dass sie ihre Wettbewerbsfähigkeit verlieren.“ Die Bedeutung dieser datengetriebenen Dienste und Geschäftsmodelle habe in den letzten Jahren sehr stark zugenommen und werde auch künftig weiter deutlich wachsen.

Die Expertenkommission empfehle daher zunächst, so Prof. Harhoff, „deutsche Unternehmen darin zu unterstützen, neue Wertschöpfungspotenziale in der internetbasierten Wirtschaft zu erschließen und Schwächen auszugleichen. Zudem muss der Umbau von Sektoren unterstützt werden, die von disruptiven (unterbrechenden) Innovationen bedroht sind.“ Die Expertenkommission kritisiert, dass der Schwerpunkt der Forschungs- und Innovationspolitik derzeit hauptsächlich auf dem zweiten Aspekt liege – der Verteidigung etablierter Sektoren.

Digitale Doppelstrategie gefordert

Deutschland brauche aber eine digitale Doppelstrategie, die auch neue Quellen der Wertschöpfung erschließt. Es sei derzeit noch keine systematische Strategie erkennbar, mit der in Deutschland der Aufbau neuer Kompetenzen unterstützt wird, die in einer internetbasierten Wirtschaft besonders wertvoll sind.

Ein solche Strategie solle sich nicht an Anwendungsfeldern (etwa Gesundheit, Produktion, Energie, Handel) orientieren, sondern die Schlüsselfähigkeiten identifizieren, die bisher nur unzureichend in Deutschland vorliegen: Kompetenzen im Bereich der Erstellung internet-bezogener Software und in der Handhabung und im Aufbau digitaler Geschäftsmodelle.

Die Expertenkommission empfiehlt insbesondere Anpassungen des Bildungs- und Ausbildungssystems:

  • den Umgang mit Daten und digitalen Technologien als Kulturfähigkeiten zu verstehen und als Grundlagenfach in Schulen jeglicher Art und in Hochschulen zu verankern
  • das Verständnis für digitale Wirtschaft und Geschäftsmodelle zu fördern.

Viele Hemmnisse für Startups

„Die bestehenden Schwächen der Förderung digitaler Geschäftsmodelle“, meinte Harhoff, „werden dadurch verstärkt, dass Startups – ein wichtiges Vehikel zur Bildung von internet-basierter Wertschöpfung – in Deutschland immer noch ein nur begrenzt wettbewerbsfähiges Umfeld und hohe Hemmnisse vorfinden.“ Die Expertenkommission habe dazu wiederholt Vorschläge gemacht.

Nach derzeitigem Stand würden aber selbst die im Koalitionsvertrag von 2013 festgehaltenen Intentionen zur Verbesserung der Situation von Gründungen, insbesondere bei der Wagniskapitalfinanzierung, weit verfehlt. „Wer Startups erfolgreich unterstützt, sorgt dafür, dass auch die Internetriesen unter Wettbewerbsdruck geraten und kontinuierlich innovieren. Erfolgreiche Startup-Politik stärkt also auch den Wettbewerb zum Wohle der Nutzer,“ so Harhoff.

 

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