Freundliche Übernahme – So übernehmt ihr als Nachfolger eine Steuerberatungskanzlei

Eine Steuerkanzlei kann auch wachsen, indem man eine bestehende Kanzlei dazu kauft. Was ihr noch als Nachfolger einer Steuerkanzlei beachten solltet, erfahrt ihr in diesem Fachartikel.

Nach landläufiger Meinung sind für eine Kanzleiübernahme lediglich die betriebswirtschaftlichen Rahmendaten der Kanzlei von Relevanz. Eine rein zahlenbasierte Abwicklung macht allerdings nur bedingt Sinn. In erster Linie ist die Übernahme einer Kanzlei, wie auch das gesamte Aufgabespektrum, zutiefst persönlich. Daher kann eine Übernahme nur erfolgreich und für beide Parteien zufriedenstellend vonstatten gehen, wenn Käufer und Verkäufer miteinander harmonieren. Die finanziellen Eckdaten spielen zwar eine elementare Rolle, kommen durch eine positive Stimmung zwischen den Parteien allerdings erst zum Tragen.

Neben der Sympathie sollte auch ein klares Zukunftskonzept zum Zeitpunkt des ersten Kennenlerngespräches bestehen, da der Verkäufer wissen will, wie es mit der Kanzlei und den betroffenen Mandanten und Mitarbeitern weitergeht. Käufer, die auf das WIE keine Antwort haben, haben schlechte Karten.

Argumente für die Übernahme einer Steuerkanzlei

Wachstum kann durch Zukauf als auch durch aktive Mandantengewinnung realisiert werden. Der Vorteil durch Zukauf besteht meist darin, dass in den bestehenden Strukturen eingearbeitete und hochqualifizierte Mitarbeiter vorhanden sind und die erprobten Abläufe den Einstieg erleichtern. Ein Nachteil kann dadurch entstehen, dass diese Strukturen ineffizient und eingefahren sind. Diese aufzubrechen und nach den eigenen Vorstellungen zu gestalten, benötigt viel Zeit und Geduld.

Wer auf der sogenannten grünen Wiese seine Kanzlei gründet, kann sich ab dem ersten Tag selbst verwirklichen. Die Kanzlei kann mit dem Steuerberater wachsen. Es gibt unzählige Erfolgsstorys von angesehenen Kanzleien und deren Inhabern, die bei null begonnen haben. Für Neugründer gibt es bei den EDV-Anbietern meist vergünstigte Angebote, um den Einstieg zu erleichtern.

„Wir erleben derzeit den Beginn einer Schwemme von Kanzleien, die Demographie bedingt auf den Markt kommen. Das drückt selbstverständlich die Preise. Es wird für viele Kanzleien zunehmend schwieriger, noch einen Käufer zu finden, denn das Angebot wächst und die Nachfrage geht eher zurück“, so Alexander Jost.

Der Vorteil für Existenzgründer, die eine bestehende Kanzlei übernehmen wollen, besteht darin, dass sie sich die Kanzlei aussuchen können. Nach wie vor herrscht in der überwiegenden Anzahl der angebotenen Kanzleien der Wunsch des Inhabers, die Kanzlei oder Anteile daran in die Hände eines jungen aufstrebenden Nachfolgers zu legen, der die Kanzlei in seinem Sinne fortführt. Die Übertragung an Gesellschaften ist meist nur die zweite Wahl.

„In unserer Studie haben wir herausgefunden, dass lediglich fünf Prozent der Kanzleien eine Übergabe im Familienkreis anstreben. Diese Tatsache hat verschiedene Ursachen, unter anderem liegt es daran, dass Kinder heutzutage eigene Karrierewege planen und sich nicht mehr automatisch an dem orientieren, was ihre Eltern aufgebaut haben – selbst, wenn diese ein erfolgreiches Unternehmen beziehungsweise eine Kanzlei ist. Die meisten Steuerberater wünschen sich einen Nachfolger aus der eigenen Kanzlei“, so Jost.

Szenarien beim Kauf einer Kanzlei

In der Regel suchen Käufer Kanzleien, die dem Digitalisierungsgrad der eigenen Kanzlei annähernd entsprechen. In diesen Fällen sind nur geringe Investitionen nötig, um beide Kanzleien auf ein gleiches Niveau zu heben.

Mitunter kaufen Interessenten auch eine Kanzlei mit einem höheren Digitalisierungsgrad. In diesem Fall wird neben der Technik und den bereits digitalen Prozessen auch das Digitalisierungs-Know-how der Mitarbeiter erworben, was die Digitalisierung der eigenen Kanzlei beschleunigen kann.

Auch für wenig digitalisierte Kanzleien gibt es Käufer. Zum Beispiel können große Steuergesellschaften auf diese Weise günstig zukaufen und dank eigenem Know-how und eigener Kapazitäten die vorhandenen Lösungen und Prozesse mit vergleichsweise wenig Aufwand auf die übernommene Kanzlei ausdehnen.

Dass Berufseinsteiger – und somit die junge Generation der Steuerberater, die bereits mit dem Smartphone aufgewachsen sind – eine Nachfolge antreten, ist noch die Ausnahme. In diesem Fall interessieren sie sich vorrangig für volldigitalisierte Kanzleien.

So findet ihr die richtige Kanzlei für euren Start

Möglichkeiten zur Übernahme finden junge Steuerberater unter anderem bei bekannte Kanzleibörsen, durch beruflichen Austausch mit Berufskollegen, durch Social-Media-Kontakte, durch diverse Anstellungen in Steuerkanzleien oder durch professionelle Kanzleivermittler.

Der Übernahmeprozess selbst birgt dabei keine unüberwindbaren Herausforderungen. Der Käufer muss lediglich für sich entscheiden, ob er diesen Weg allein oder mit einem Berater beziehungsweise Vermittler an seiner Seite gehen möchte.

Allerdings ist festzuhalten, dass professionelle Vermittler bestens mit den Prozessschritten einer Abwicklung vertraut sind und somit für eine reibungslose Abwicklung sorgen können. Desweiteren unterstützt eine neutrale Partei die Verhandlungen durch ihre Unvoreingenommenheit und wirkt somit positiv auf einen erfolgreichen Abschluss ein.

Kanzleiwert: Auswahl der passenden Steuerkanzlei

Im Steuerberatungsmarkt hat sich zur Bewertung von Kanzleien das Multiplikatorverfahren etabliert, obgleich dieses Verfahren an der ein oder anderen Stelle kritisch hinterfragt wird.

Stark vereinfacht lässt sich der Wert von Kanzleien anhand weniger Eckdaten eingrenzen:

  • Bereinigte Rentabilität
  • Alter der Mandanten
  • Alter der Mitarbeiter
  • Grad der Digitalisierung
  • Regionale Lage
  • Entwicklung der letzten Jahre

Fakt ist: bei drei unterschiedlichen Bewertungen erhält ein Kanzleiinhaber drei verschiedene Ergebnisse.

Jeder Bewerter hat einen anderen Blickwinkel auf die Kanzlei und sieht für sich andere Punkte als wichtiger, die wiederum unterschiedlich stark gewichtet werden.

„Durch unsere Erfahrung können wir festhalten, dass am Ende der Verhandlung ein Kaufpreis steht, der für beide Parteien fair und darstellbar ist. Wir haben durch unsere Marktbeobachtung analysiert, dass der aktuelle durchschnittliche Kaufpreisfaktor bei 1,0 liegt und somit dem Jahresumsatz gleichzusetzen ist“, so Alexander Jost.

Höhere Kaufpreise für digitalisierte Kanzleien

Die aktuelle Entwicklung und Geschwindigkeit im Steuerberatungsmarkt sollten zu der Annahme führen, dass digitalisierte Kanzleien einen höheren Kaufpreis erzielen können. Dies ist ein Trugschluss.

Vielmehr hat die Digitalisierung einer Kanzlei entweder keinen Einfluss auf den Kaufpreis, der Kaufpreise für weniger digitale Kanzleien sinkt oder es findet sich erst gar kein Interessent.

Keinen Einfluss hat der Digitalisierungsgrad, wenn sich Käufer und Verkäufer auf einem ähnlichen Arbeitsniveau befinden. Sind die Unterschiede in den Arbeitsprozessen zu groß, werden seitens der Käufer zum Teil Abschläge vorgenommen – die Umstellung der zu übernehmenden Kanzlei erfordert enorme zeitliche wie auch finanzielle Kapazitäten. Leider erleben wir häufig, dass gerade Kanzleien von älteren Einzelunternehmern keinen Abnehmer finden, da neben der fehlenden Digitalisierung auch andere Eckdaten (Mitarbeiter- und Mandantenstruktur) für eine nicht nachhaltige Kanzleistruktur sprechen.

Mitarbeiter- und Mandantenstruktur prüfen

„Führe die Kanzlei, als ob sie auch in zehn Jahren noch von dir geführt wird! – Dieses Credo impfen wir unseren Kunden und Seminarteilnehmern seit vielen Jahren ein“, so Jost.

Erwerber, Existenzgründer oder Gesellschaften erwerben ein Konstrukt. Je stabiler und nachhaltiger das Konstrukt, desto werthaltiger ist es. Mitarbeiter kurz vor dem Renteneintrittsalter werden als großes Risiko betrachtet, Mandanten die älter als 65 Jahre alt sind, gelten bereits nicht mehr als nachhaltig.

Voraussetzungen für den Übernahmekandidaten

Ein Wein muss zum Gericht passen und es ergänzen, ohne den Geschmack zu stören! Ähnlich verhält es sich bei der Auswahl des Nachfolgers. Wenn die Harmonie zwischen den Parteien stimmt, lässt sich meist im Gespräch eine zukunftsfähige Lösung finden. Stimmt die „Chemie“ zwischen den Parteien nicht, sind die ersten Gespräche in der Regel schnell beendet. Die einzige Grundvoraussetzung, die ein Übernehmer mitbringen muss, ist die Berufsqualifikation.

Haftungsregeln klären

Haftungsabgrenzungen werden im Rahmen des Praxisübertragungsvertrages zwischen Käufer und Verkäufer getroffen. Für Arbeiten vor der Übertragung haftet in der Regel der Verkäufer, für Tätigkeiten nach der Übergabe steht entsprechend der Käufer gerade.

Im Außenverhältnis wird der Mandant immer zuerst den Nachfolger angehen. Daher ist die Abgrenzung im Innenverhältnis wichtig!

Innenkommunikation: Mitarbeiter einbinden

Die Kommunikation mit den Mitarbeitern ist ein wichtiges Thema.

  • Wann ist der richtige Zeitpunkt zur Bekanntmachung?
  • Wie erkläre ich den Mitarbeitern diese Entscheidung?
  • Was bedeutet das für die Zukunft?
  • Sind Arbeitsplätze gefährdet?

Diese und viele andere Fragen sollten beantwortet werden, damit die Mitarbeiter in der Kanzlei bleiben.

Der richtige Zeitpunkt hängt von der jeweiligen Kommunikationskultur der Kanzlei ab. Wird in der Kanzlei offen gesprochen, merken die Mitarbeiter sofort, wenn der Chef etwas zurückhält. Geheimniskrämerei in einer sonst offenen Gesprächslandschaft wirkt verstörend. In einer sonst eher distanziert geführten Kanzlei sollten die Mitarbeiter erst einbezogen werden, wenn die relevanten Fragen beantwortet werden können. Mitarbeiter sollen gem. §613a BGB über diesen Vorgang informiert werden, ihre Zustimmung dazu erteilen und übernommen werden.

Außenkommunikation: Mandanten informieren

Zunächst einmal sollten die vorhandenen Strukturen nicht oder nur äußerst feinfühlig verändert werden.

„Es gilt: Wer wie der berühmte “Elefant im Porzellanladen” eine Kanzlei übernimmt, hat bald keine Kanzlei mehr. In den ersten zwölf Monaten sollten möglichst wenig Veränderungen erfolgen“, empfiehlt Alexander Jost.

Unabhängig davon, sollen die Mandanten über diese Übertragung informiert werden und ihre Zustimmung zur Übertragung ihrer Unterlagen und Bearbeitung der steuerlichen Belange schriftlich erteilen. Es gibt wenige Ausnahmen, wann diese schriftliche Zustimmung entfallen kann. Dazu zählen u.a. die Übernahme von GmbH-Anteilen, die Aufnahme eines neuen Partners oder die Übertragung an einen langjährig angestellten Berufsträger. Exakte Bestimmungen befinden sich in der Fachliteratur oder auf Anfrage bei der jeweiligen Steuerberaterkammer.

Wie und in welcher Reihenfolge die Mandanten informiert werden sollten, ergibt sich aus der Mandantenstruktur. Die wichtigsten Mandanten werden ausschließlich persönlich über diese Veränderung informiert. Die Zustimmung sollte im Rahmen dieses Treffens eingeholt werden. Im besten Fall kann sich der Nachfolger direkt vorstellen.

Die überwiegende Mehrheit der Mandanten (B-Mandate) wird auf klassischen Wegen (Mail, Post, Fax) über die Veränderung unterrichtet und um Zustimmung mittels beigelegten Vordruckes gebeten. Bei diesen Mandanten wird auch aktiv um Erteilung der Zustimmung gebeten. Einkommensteuerfälle und sogenannte C-Mandate werden nur schriftlich informiert.

Je nach Größe der Kanzlei und Anzahl der Mandanten, kann eine individuellere Vorgehensweise sinnvoll sein. Heißt konkret: Finger weg von Honorarerhöhungen, Mitarbeiterumstrukturierungen und Umzügen (wenn es sich vermeiden lässt). Desweiteren bleibt das Rechnungslayout zunächst unangetastet und die Kommunikation mit den Mandanten bleibt wie bisher oder wird sogar besser!

 

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