Global Entrepreneurship Monitor 23/24: Wichtige Ergebnisse im Fokus
Seit 25 Jahren misst der Global Entrepreneurship Monitor (GEM) das Niveau der Gründungsaktivitäten in Deutschland und in vielen anderen Ländern auf der ganzen Welt. Die wichtigen Ergebnisse der aktuellen Studie sind im Folgenden zusammengefasst.
Seit 2019 zeigt sich ein erfreulicher Trend für den Gründungsstandort Deutschland: Die Quote ist höher als im Schnitt der letzten 20 Jahre zuvor.
Im internationalen Vergleich hat sich Deutschland hierdurch zwar etwas verbessert, bleibt jedoch nach wie vor eher im hinteren Mittelfeld. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Definition der Gründungsquote im Rahmen des GEM: es handelt sich um den Prozentanteil derjenigen 18 bis 64-Jährigen, die während der letzten 3,5 Jahre ein Unternehmen gegründet haben und/oder gerade dabei sind, ein Unternehmen zu gründen. Diese Quote wird im GEM als Total early-stage Entrepreneurial Activity (TEA) bezeichnet.
Insgesamt werden in Deutschland jährlich etwa 3.000 Personen im Rahmen einer repräsentativen Stichprobe befragt. Im Anschluss erfolgen die Analyse und Aufbereitung der Daten. Der Länderbericht 23/24 wurde am 28. Juni 2024 veröffentlicht. Wichtige Ergebnisse sind im Folgenden zusammengefasst.
Gründungsquote höher als im langjährigen Durchschnitt
Im Jahr 2023 liegt die Quote der Gründungsaktivitäten für Deutschland bei 7,7 %, dem zweithöchsten Wert der seit 1999 jährlich erhobenen GEM Datenreihe. Im Vergleich mit den anderen 45 Ländern bewegt sich Deutschland damit im unteren Drittel. Der erreichte Wert entspricht in etwa dem durchschnittlichen Niveau der Gründungsaktivitäten der Jahre von 2019 bis 2022. Im vorangegangenen Zeitraum von 1999 bis 2018 lag das langfristige Mittel mit rund 5 % deutlich niedriger.
Beziehungen, Netzwerke und Einkommen sind wichtige Einflussfaktoren
Gründungspersonen haben in der Regel mehr Kontakte zu anderen Gründerinnen und Gründern als Personen, die selber nicht gegründet haben: Etwa 80 % der Gründungspersonen kennen mindestens eine andere Person, die gegründet hat. Bei Personen, die nicht selber gegründet haben, sind es lediglich etwas mehr als 30 %.
Die persönliche Nähe zu Vorbildern oder sogenannten Role Models scheint somit eine positive Wirkung auf Gründungsaktivitäten zu entfalten. Ein vergleichsweise höheres Haushaltseinkommen geht mit der steigenden Wahrscheinlichkeit von Gründungsaktivitäten einher.
In den drei höchsten erfassten Einkommensklassen, diese beginnen ab einem monatlichen Haushaltseinkommen von 4.000 €, beträgt der Anteil an Gründungspersonen jeweils in etwa 15 %. In den niedrigeren Einkommensklassen liegen die Anteile fast durchgehend unter 10 %, zum Teil sogar unter 5 %.
Starker Anstieg der Gründungsaktivitäten in den jungen Altersgruppen
Die Altersgruppe der 25- bis 34-Jährigen weist mit 13,3 % die stärksten Gründungsaktivitäten auf, dicht gefolgt von der jüngsten Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen mit 11 %. Die weiteren Altersgruppen zeichnen sich mit 8,4 % für die 35- bis 44-Jährigen, 5,7 % für die 45- bis 54-Jährigen und 3 % für die 55- bis 64-Jährigen durch niedrigere Gründungsaktivitäten aus.
Bemerkenswert: In Deutschland hat sich die Gründungsquote in der jüngsten Altersgruppe von 2017 (3,4 %) bis 2023 (11 %) mehr als verdreifacht. Eine mögliche Ursache ist eine stärkere Entrepreneurship-Orientierung in der deutschen Hochschullandschaft. Trotzdem sind in gründungsstarken Ländern wie den USA oder den Niederlanden die Gründungsaktivitäten in der jüngsten Altersgruppe mit knapp 25 % nach wie vor deutlich höher.
Gendergap weiterhin deutlich ausgeprägt
Die Gründungsquote von Frauen lag im gesamten Erhebungszeitraum des GEM seit 1999 unterhalb der von Männern. Das ist auch 2023 der Fall. Die Gründungsquote bei Frauen beträgt 5,9 % und bei Männern 9,3 %. Das bedeutet: von 100 TEA-Gründungspersonen sind 62 Männer und 38 Frauen.
Anhand der Zahlen seit dem Jahr 2001 lassen sich folgende Erkenntnisse ableiten:
- Zu Beginn der Nuller Jahre kamen auf eine Gründung durch eine Frau zwei Gründungen durch Männer (Faktor 2). Heute beträgt der Faktor nur noch 1,6.
- Gründungsaktivitäten von Frauen unterliegen im Zeitverlauf geringeren Schwankungen als Gründungsaktivitäten von Männern. Das Gründungsverhalten der Männer ist offensichtlich stärker von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Einflüssen abhängig. Dies zeigt sich in einer Annäherung der Quoten in Krisenzeiten. Während der Finanzkrise (2008 und 2009) und dem ersten Jahr der Corona-Pandemie waren Gründungen durch Männer deutlich stärker rückläufig, als die von Frauen. Die Gender-Lücke war in diesen Phasen geringer als im langjährigen Durchschnitt.
- Spannend ist der internationale Vergleich: Auch in den meisten anderen europäischen Ländern gründen Männer häufiger als Frauen, jedoch sind die Unterschiede im Durchschnitt weniger stark ausgeprägt.
Mehr als 40 % der Gründungspersonen haben studiert
Hochschulabsolventen stellen den höchsten Anteil der Gründungspersonen – 29 % haben einen Hochschulabschluss an einer Universität erlangt und 13 % an einer Fachhochschule. Dahinter folgen 27 % mit einer Berufsausbildung (Lehre). Eine Berufsfach- oder Handelsschule haben 9 % der Gründungspersonen absolviert. Der Anteil der Personen mit einem Abschluss einer Fachschule, Meister- oder Technikerschule sowie Berufs- oder Fachakademie an den Gründungspersonen beträgt 6 %.
Gründungsaktivitäten nach Branchen: Handel und Beratung dominieren
Fast 25 % der Gründungspersonen lassen sich 2023 mit ihren unternehmerischen Aktivitäten dem Einzelhandel zuordnen. Daneben sind mehr als 10 % im Segment „wissenschaftliche
und technische Tätigkeiten“ aktiv, hierzu gehören beispielsweise die betriebswirtschaftliche und technologieorientierte Unternehmensberatung. Im Bereich „Information und Kommunikation“ sind ebenfalls mehr als 10 % der Gründungspersonen aktiv. Hierzu gehören unter anderem die Bereiche Programmierung und Datenverarbeitung. Danach folgt das „Beherbergungs- und Gaststättengewerbe“ mit über 9 % der Gründungspersonen (die sperrigen Branchenbezeichnungen entstammen übrigens der Klassifikation der Wirtschaftszweige WZ 2008. Diese stellt aktuell die Grundlage für die Erfassung wirtschaftlicher Tätigkeiten nach Branchen dar).
Gründungsmotive: Die Fortführung einer Familientradition verliert an Bedeutung
Über die Jahre zeigt sich bei den befragten Gründungspersonen, dass das Motiv, eine Familientradition fortzuführen, immer mehr an Bedeutung verliert, von mehr
als 60 % im Jahr 2019 auf etwa 30 % im Jahr 2023.
Das Thema Unternehmensnachfolge wird somit eine immer größere gesellschaftliche Herausforderung.
Motive mit wachsender Wichtigkeit sind einerseits der Wunsch, die Welt zu verändern (2021: 39,3 %, 2022: 42,7 %, 2023: 50,5 %), und andererseits der Wunsch, großen Wohlstand zu erwirtschaften (2021: 43,6 %, 2022: 47,8 %, 2023: 56,3 %).
Family, Friends & Fools: Finanzielle Unterstützung von Gründungen durch Privatpersonen rückläufig
Circa 5 % aller befragten Personen geben an, dass sie während der letzten drei Jahre ein Unternehmen in der Anfangsphase finanziell unterstützt haben. Ein Großteil dieser Investitionen wurde für Personen aus dem näheren Bekanntenkreis (Familie, Nachbarinnen und Nachbarn, Kolleginnen und Kollegen) bereitgestellt.
Insgesamt zeigt sich, dass die aus dem privaten Bereich zur Verfügung gestellten Gelder in sieben von zehn Fällen im Bereich von unter 10.000 € liegen. Somit sind diese sicher eine wertvolle Starthilfe, jedoch nur selten als große Investitionen zu verstehen.
Jede zwanzigste Person, die finanzielle Unterstützung anbietet (also etwa 5 %), investiert 50.000 € oder mehr. Das entspricht einem deutlichen Rückgang gegenüber dem Vorjahr, hier lag der Anteil dieser Investitionshöhe noch bei 15 %.
Über den Global Entrepreneurship Monitor
Der Global Entrepreneurship Monitor ist das größte wissenschaftliche Forschungsprojekt zum Thema Gründung und Unternehmertum. Seit 2017 wird der GEM-Länderbericht Deutschland durch das RKW Kompetenzzentrum und das Institut für Wirtschafts- und Kulturgeographie der Leibniz Universität Hannover veröffentlicht.
Zum aktuellen Länderbericht geht es hier: http://rkw.link/gem2024
Weitere Analysen im Rahmen des GEM: http://rkw.link/gem