Honorarverhandlungen für Freelancer und Selbstständige: Die sechs goldenen Regeln
Was ist ein angemessener Tagessatz für meine Arbeit und wie setze ich ihn erfolgreich durch? – Honorarverhandlungen erfordern methodisches Vorgehen und Verhandlungskompetenz. Experte Frank Poggendorff teilt in unserem Fachartikel seine Erkenntnisse aus jahrelanger Verhandlungserfahrung und gibt wichtige Tipps, wie sich Freelancer und Selbstständige erfolgreich durchsetzen können.
Professionelle Einkäufer haben im Rahmen ihrer Beschaffungsaktivitäten immer zwei Ziele: Zunächst müssen sie die optimalen Berater identifizieren und sie dann zu möglichst marktfähigen Konditionen mittel- bis langfristig binden.
Dabei ist es wichtig zu wissen, dass Einkäufer immer als interner Dienstleister für ihre Bedarfsträger, etwa die IT-Abteilung in einer Firma, handeln. Der Kunde des Einkäufers sitzt also im gleichen Unternehmen. Für ihn gilt es, den idealen Berater zu optimalen Konditionen zu finden.
Der Preis hat nicht immer oberste Priorität: Es geht nicht darum, den billigsten Berater unter Vertrag zu nehmen, sondern den am besten für die spezifischen Anforderungen geeigneten. Eine wichtige Erkenntnis für Honorarverhandlungen: Denn Berater, insbesondere Freelancer, machen immer wieder die gleichen Fehler, wenn sie die Konditionen ihrer Services verhandeln.
IT-Experten und Freelancer mögen noch so brillant sein: Wenn sie einfache Regeln einer Verhandlung nicht beherzigen, können sie ihre Honorarforderungen nicht durchsetzen. Die Erfahrung zeigt, dass sie in Verhandlungen mit Vermittlern und Providern immer wieder die gleichen Fehler machen:
- ungenügende Recherche und Vorbereitung auf die Verhandlung und die Verhandlungspartner
- keine klare Zielsetzung des Honorars und fehlende Argumente, um diese auch zu kommunizieren
- sofortiges „Umfallen“ bei einem deutlich geringerem Gegenangebot für den Tages- oder Stundensatz
6 Goldene Regeln: So verhandeln Freelancer & Selbstständige ihr Honorar richtig
Die gute Nachricht ist: Aus Fehlern kann man lernen. Wer ein paar einfache Regeln beherzigt, weiß Einkaufsexperte Frank Poggendorff, hat gute Chancen, seine Forderungen bei Honorarverhandlungen durchzusetzen. Poggendorf, der sich als Interim Manager für Sourcing und Procurement selbstständig gemacht hat, kennt als ehemaliger Unternehmensberater und Einkaufsleiter beide Seiten der Medaille. Er weiß, was ein angemessener Tagessatz ist und wie man ihn durchsetzt. Er identifiziert und realisiert aber auch Kosteneinsparungen für Unternehmen in unterschiedlichen Branchen.
Um als Freelancer oder Selbstständiger erfolgreiche Honorarverhandlungen zu führen, empfiehlt Frank Poggendorff sechs goldene Regeln.
1. Goldene Regel: Vorbereitung und Auftreten sind die halbe Miete
Bereite dich detailliert vor. In Sozialen Netzwerken wie Xing, LinkedIn oder Facebook erfährst du viel über deinen Verhandlungspartner. Was hat er für eine Ausbildung? Welche Interessen verfolgt er? Mit wem ist er vernetzt? Vielleicht kennst du jemanden, der deinen Verhandlungspartner persönlich kennt und dir wertvolle Tipps geben kann.
Eine Bonitätsauskunft über das Unternehmen einzuholen, für das du arbeiten willst, wäre sehr professionell.
Komme zur Verhandlung mehr als pünktlich. Pünktlichkeit ist die erste Wertschätzung, die du mitbringen musst. Ausreden wie „Keinen Parkplatz gefunden“ sind ein absolutes „no go“.
In persönlichen Gesprächen solltest du nicht hinter deiner Präsentation und deinem Laptop verstecken. Das ist ein Kardinalfehler, den fast jeder IT Berater macht. Am besten ist es, wenn du gar nichts mitbringst und nicht vollbeladen wie ein Packesel mit Schweißperlen auf der Stirn in die Verhandlung stolperst.
Dass du wenig Zeit, aber viel Stress, brauchst du nicht erwähnen. Das weiß dein Gegenüber, und es geht ihm genauso.
Wichtig: Ihr habt beide ein Interesse aneinander, sonst wärst du nicht eingeladen worden. Nutze diese erste Gemeinsamkeit positiv, indem du dich gründlich vorbereitest und deinem Gegenüber Wertschätzung entgegenbringst. Die Persönlichkeit ist in Honorarverhandlungen meist wichtiger als die Fachkompetenz.
2. Goldene Regel: Why me? Selbstmarketing mit überzeugender Argumentation
Ein wichtiger Punkt: Warum ist die Qualität deiner Beratungsleistung exzellent? Einkäufer hören täglich, wie gut ihre Verhandlungspartner sind. Du musst also nachvollziehbar mit Beispielen begründen, warum du der richtige für den Job bist. Der Kundennutzen muss in zwei bis drei knackigen Punkten klar rüberkommen. Warum bin ich besonders und besser als der Durchschnitt? Du willst ja auch ein überdurchschnittliches Honorar, und der Kunde will keinen durchschnittlichen Berater.
Mit offenen Karten spielen ist durchaus erlaubt. Aussagen wie „Ich möchte Geschäfte mit Ihnen machen und sie als neuen Kunden gewinnen weil ich sie aus folgenden Gründen weiterbringen kann …“ sind ehrlich und authentisch.
Hilfreich ist es auch, wenn du belastbare Referenzen mit Namen angibst: „Hier habe ich Namen und Telefonnummer meines letzten Kunden, bitte rufen Sie ihn doch einmal an.“ Das Empfehlungsmarketing ist nicht zu unterschätzen und in Großbritannien oder den USA etabliert. Nur in Deutschland üben wir uns zu oft in Bescheidenheit und Zurückhaltung.
3. Goldene Regel: Honorarforderung mit einem kleinen Aufschlag
Wenn dein Tagessatz bei 1.200 Euro liegt, solltest du ihn mit 1.300 bis 1.400 Euro kommunizieren: Einem Einkäufer musst du immer etwas geben. Daher solltest du auch offen für Festpreismodelle sein.
Sicherlich wird Dir Dein Gegenüber mitteilen, dass das viel zu teuer und nicht marktgerecht sei. Hier kannst du noch einmal deine Stärken nennen und auf deine Referenzen verweisen.
Unternehmen sind durchaus bereit, für einen Berater mit einem großen Brand mehrere tausend Euro pro Tag zu zahlen. Wichtig ist, dass du in Verhandlungen Ruhe bewahrst.
Und nun der Schlüsselmoment: Stehenbleiben und nicht umkippen. Schweigen und warten sind die wichtigsten „Waffen“ einer Verhandlung, auch wenn sie schwierig einzusetzen sind. Aber: Auch dein Gegenüber wird zunächst überlegen und erst nach einigen Sekunden antworten. Genieße die Stille und zerstöre sie nicht mit einem „Ja“, „Nein“ oder „Aber“.
Wichtig ist, dass du deine Honorarvorstellung im Vorfeld definiert hast und sie mit einem kleinen Aufschlag und einer guten Argumentation kommunizierst. Denn Einkäufer wissen: „Qualität bleibt, wenn der Preis längst vergessen ist.“
4. Goldene Regel: Viel Verhandlungsmasse auf den Tisch legen
Es ist immer von Vorteil viel Verhandlungsmasse anzubieten. Das heißt: Es geht in Honorarverhandlungen nicht nur um den reinen Tagessatz, sondern auch um Reisekosten, Verpflegungsmehraufwand und Spesen, die Vertragsdauer, Zahlungsbedingungen und um die Anzahl der Einsatztage.
Verhandlungen sind immer auch eine Frage der Abwägung. Wenn der Einsatzort auch der Heimatort ist, solltest du kein Kilometergeld einfordern. Weiterhin solltest du anbieten, für ein kurzes Telefonat oder E-Mail auch im Urlaub erreichbar zu sein. Das ist sehr eine persönliche Entscheidung, die bei Kunden gut ankommt.
5. Goldene Regel: Den nächsten Entscheidungsschritt einfordern
Lasse nach dem Verhandlungsgespräch die berühmte Tür auf und biete deinem Verhandlungspartner an, dass du bei Rückfragen jederzeit per E-Mail oder Telefon zu erreichen bist. Meist fällt nämlich in der Verhandlung selbst keine Entscheidung über das Engagement. Oftmals wird im Unternehmen noch Rücksprache gehalten.
Du solltest zum Schluss unbedingt fragen:
- Wie geht es nun konkret weiter?
- Sind Sie weiterhin mein Ansprechpartner?
- Was brauchen Sie noch von mir?
- Soll ich Ihnen die Referenzen noch einmal notieren?
- Bis wann höre ich von Ihnen?
6. Goldene Regel: Immer einen positiven Abschluss finden
Auch wenn keine Einigung erzielt wird, ist es wichtig, in einer Honorarverhandlung einen positiven Abschluss zu finden. Damit wird die Basis für die nächste Begegnung geschaffen.
Dazu gehört, dass du mit deinem Verhandlungspartner sicherstellst, dass beide Seiten das gleiche Verständnis von Auftrag und Honorar haben. Gemeinsamkeiten solltest du grundsätzlich immer wieder betonen, schon während des Gesprächs.
Auch bei einem Dissens gilt es, die berühmte Tür offen zu lassen. Sage deinem Gegenüber, dass du dich über eine Rückmeldung freust. Immerhin bleibt er ein Kunde in spe. Am besten unterhälst du dich zum Schluss noch einmal über eine Gemeinsamkeit, die du aus der Begrüßung und dem Warm-up kennst, etwa das gemeinsame Interesse für eine bestimmte Sportart. Ebenso wichtig ist eine positive und humorvolle Verabschiedung.
Eine saubere Nachbereitung mit einem Kurzprotokoll und eventuell einer To-do-Liste ist dann der Grundstein für die nächsten Verhandlungen. Denn eins ist sicher: Man sieht sich immer (mindestens) zweimal im Leben.