„Als Unternehmer – also auch als Nachfolger – braucht man die geistige Freiheit, das Richtige zu tun“

Interview mit Nils Koerber, Familienunternehmer & Berater für Nachfolge

Ob Nachfolge oder Neugründung – es kommt auf den Unternehmergeist an. Davon ist Nils Koerber, selbst Familienunternehmer und Berater für Nachfolge, überzeugt. Seine Argumente für Gründer im Mittelstand, gesellschaftliche Werte durch Unternehmen und die richtigen Wege in der Nachfolge liefert er in diesem Interview mit gründerküche.de

gründerküche.de: Sie haben persönliche Erfahrungen als Nachfolger, wie lief die Übernahme?

Nils Koerber: Klassisch, würde ich sagen. Ich blieb von drei Geschwistern übrig, um das Familienunternehmen zu übernehmen. Ich hab das gern gemacht – habe aber das Unternehmen 15 Jahre später bewusst liquidiert. Und mich mit Sachen beschäftigt, die mich wirklich interessiert haben.  Die ganze Geschichte ist natürlich länger – wer die hören will, ich hab die mal in einem Podcast erzählt: https://pod.co/unternehmensnachfolge/interview-nils-koerber-ber-kern

Seitdem unterstützen Sie mit Ihrer Beratergruppe KERN Nachfolger und Unternehmen, die Nachfolger suchen…

Ja, meine Partner und ich schöpfen aus persönlichen Erfahrungen und können viele der Herausforderungen einer Nachfolge nachvollziehen.

Diese ganzen Konfliktfelder – vom Loslassen des Altunternehmers bis zu steuerlich sinnvollen Lösungen – kann man mit Erfahrung sehr gut lösen.

Und diese Erfahrungen können Übergeber und Übernehmer ja kaum haben… schließlich regelt man die Nachfolge üblicherweise nur einmal im Leben.

Sie sprechen das Loslassen an. Keine leichte Aufgabe für einen Unternehmer, der sein Lebenswerk aufgeben soll…

Er soll es ja nicht aufgeben, sondern dafür sorgen, dass es weitergeführt wird! Aber natürlich ist das eine ganz besondere Herausforderung für die Gründergeneration. Im Unternehmen steckt viel Herzblut, viele viele Jahre engagierte Arbeit und Lebenszeit. Die will man gewürdigt wissen und möglichst auch geschützt.

Und eine nicht unwesentliche Tatsache: Der Mensch hinter dem Unternehmer hat sich lange Jahre über seinen Job, seine Position über sein Unternehmen definiert. Häufig war er (oder sie) das Unternehmen. Zumindest in der Eigenwahrnehmung. Es gehört viel Selbstreflexion und auch Ehrlichkeit dazu, sich und seine Wichtigkeit für die Firma objektiv einzuschätzen. Dazu gehört auch, dass man sein Leben danach neu ausrichten, neu mit Sinn füllen muss. Übrigens ein Problem für die Meisten, die „in Rente“ gehen.

Inzwischen hat sich der „Nachfolge-Markt“ gedreht – es gibt mehr Unternehmen die suchen als Nachfolger. Gute Chancen also für Gründer, die eine bestehende Firma übernehmen wollen?

Ich glaube ja. Und das mache ich weniger an den Tausenden Unternehmen mit Nachfolger-Bedarf fest als an den vielen spannenden Unternehmungen. Mit unserer Arbeit möchten wir eine Lanze für den deutschen Mittelstand brechen: Es gibt hier unglaublich großartige Unternehmen, die von tollen Menschen aufgebaut wurden. Weltmarktführer mit einem speziellen Produkt, dass nur sie herstellen können. Diese Firmen haben eine sehr gute Chance, sich auch mit einem Nachfolger zu behaupten und langfristig Werte zu schaffen.

Werte schaffen meint bei Ihnen nicht nur Produkte herzustellen…

Stimmt! Der Mittelstand, dieses kleinparzellige Unternehmertum, ist für unsere Gesellschaft von großer Bedeutung.

Das sind Unternehmen, in denen die Sinnhaftigkeit des eigenen Tuns noch nicht verloren gegangen ist. Der Mitarbeiter ist kein Rädchen im Getriebe sondern entscheidend für das Ergebnis. Häufig werden hier Werte gehalten: Pünktlichkeit, Integrität, Glaubwürdigkeit … Menschen stehen sowohl im Mittelpunkt des Produktes wie auch im Produktionsprozess.

Verstehen Sie mich nicht falsch – das ist nicht überall so und ich will das größeren Konzernstrukturen nicht per se absprechen. Aber die vielen mittelständigen Unternehmen funktionieren auch nur mit dieser Nähe zum Menschen. Und das allein ist schon ein hoher gesellschaftlicher Wert.

Klingt nach viel Verantwortung für einen Gründer in Nachfolge…

Ein Unternehmen führen ist viel Verantwortung. Das ist unstrittig. Wichtig scheint mir aber, dass Gründer sich schon vor der Nachfolgesuche selbst befragen, welcher Unternehmertyp sie sind und sein wollen.  Die Antwort auf die Frage `Was zündet mich eigentlich´ sollte die erste und wichtigste sein.

Der Frage nach dem Unternehmertyp haben Sie eine eigene Internetseite gewidmet…

Stimmt, auf mein-unternehmercheck.com bieten wir das erste wissenschaftlich fundierte Profiling für Führungskräfte, die Unternehmer werden wollen.

Können Gründer auf der Seite testen, ob sie sich für eine Nachfolge eignen?

Auch das. Aber im Vordergrund steht die Selbsterkenntnis, welche Grundlagen ich als Unternehmer schon mitbringe und welche ich vielleicht auch noch dazu gewinnen muss. Es geht dabei gar nicht so sehr um Kenntnisse und Wissen. Es geht um innere Treiber, um Werte und um das Verständnis, was einen erfolgreichen Unternehmer ausmacht. Viel davon ist soziale Kompetenz …

Ist die bei jungen Menschen weniger vorhanden?

Oh, ich halte nichts von diesem Generationenbashing! Werte haben sich verschoben, ja. Sind vielfältiger geworden. Allein wenn ich mir anschaue, wie das Thema Ökologie in der jungen Generation diskutiert und auch zum Handlungsmaßstab gemacht wird – das ist doch gut und richtig. In meinem neuen Buch …

„Wie Freiheit schmeckt“, 2021 im tredition Verlag erschienen …

… ja danke! Darin habe ich exemplarisch diese Wertediskussion in einem Dialog aufgearbeitet. Mir geht es darum, dass sich der Mittelstand seinen Stärken und seiner Bedeutung für die Gesellschaft bewusst wird… dass er Werte wie Loyalität weiter verteidigt. Und sich gleichzeitig für den Wandel öffnet. Also auch für ´neue´ Werte wie den Umweltschutz oder die Notwendigkeit und Chancen der Digitalisierung.

Viel der Beständigkeit des Mittelstandes ergibt sich aus dem Bezug zum Eigentum… Unternehmer sind Eigentümer und damit auch persönlich an diese tatsächlichen Werte gebunden. Welche Rolle spielt das bei einer Nachfolge?

Auf der einen Seite eine große: denn der Nachfolger nimmt ja in der Regel nicht wenig Geld in die Hand, um Eigentümer zu werden. Entsprechend werden diese Werte bestimmt und in Zahlen gefasst. Auf der anderen Seite sind Unternehmen eben mehr als die Kaufsumme.

Und um dem gerecht zu werden, gibt es auch immer häufiger Lösungen wie gemeinschaftliches Eigentum und Genossenschaften, die die Nachfolge antreten. Auch diese Wege können den eigentlichen Wert einer Unternehmung erhalten und steigern.

Verändert sich damit auch das Bild des Unternehmers?

Ja absolut. Ein Beispiel: Häufig ist der Inhaber oder die Inhaberin einer Unternehmung der alleinige Antwortgeber für alle Herausforderungen. Das kann in der Komplexität heutiger Strukturen nur noch bedingt funktionieren. Ich muss also ein gemeinsames Verantwortungsprinzip in einer Firma entwickeln und die Schwarmintelligenz aller Akteure gezielt nutzen um die passenden Antworten zu geben.

Vielen Dank für das Gespräch!

Über Nils Koerber: Jahrgang 1964, Ausbildung und Studium als Kaufmann und Betriebswirt, zertifizierter Coach und Trainer für Nachfolgeprozesse sowie ausgebildeter Wirtschaftsmediator und Coach für THE WORK. Familienunternehmer seit über 30 Jahren, Gründer und Inhaber der Beratungsmarke „KERN – Unternehmensnachfolge. Erfolgreicher.“ mit über 20 Standorten in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Keynotespeaker, größter Podcast- und Blogbetreiber zur Unternehmensnachfolge in der D-A-CH-Region sowie Buchautor (u. A. „Die Kunst des Loslassens“ und „Das Prozesswissen“).

 

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