Sinn & Nachhaltigkeit: Social Entrepeneurship ist die Chance, für die Gesellschaft zu wirtschaften. Unternehmensberater Nils Dreyer über soziale Gründungen

Immer mehr Social Entrepreneurs gründen Firmen, bei denen nicht der Profit Unternehmenszweck ist, sondern der gesellschaftliche Mehrwert. Einer der Protagonisten der deutschen „Social Business“-Szene ist Nils Dreyer: Der Bremer will Startups motivieren, ihre Geschäftsideen sozial zu denken. Im Gründerküche-Interview erklärt er: Mit dem Geschäftsmodell „Gutes tun“ lassen sich erfolgreiche Unternehmen gründen.

Sinn und Nachhaltigkeit: In der Gründerszene geht es nicht mehr nur um den großen Exit. Immer mehr Social Entrepreneurs gründen Firmen, bei denen nicht der Profit Unternehmenszweck ist, sondern der gesellschaftliche Mehrwert. Einer der Protagonisten der deutschen „Social Business“-Szene ist Nils Dreyer: Der Bremer, seit 1999 erfolgreicher Internet-Unternehmer, will mit seinem neuen Projekt www.hilfswerft.de die Welt ein kleines bisschen besser machen und Startups motivieren, ihre Geschäftsideen sozial zu denken. Im Gründerküche-Interview erklärt er, dass sich soziales Engagement und erfolgreiches Unternehmertum nicht ausschließen: Auch mit dem Geschäftsmodell „Gutes tun“ lassen sich erfolgreiche Unternehmen gründen.

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Gründerküche: Herr Dreyer, wollen Sie die Welt verbessern?

Nils Dreyer: Ich glaube, dass es wichtig ist, etwas zurückzugeben. Die letzten Jahre arbeitete ich im Online-Marketing und hatte Freude dabei: Aber am Ende ging es darum, Mode oder Handys zu verkaufen. Davon wird die Welt nicht schlechter. Aber sie wird auch nicht unbedingt besser. Es ist auf jeden Fall nicht das, was ich hinterlassen will. Außerdem bin ich vor eineinhalb Jahren Vater geworden. Wenn mich mein Kind eines Tages fragt, was ich eigentlich mache, möchte ich eine gute Antwort haben.

Gründerküche: Was stört Sie denn an Ihrem früheren Job?

ND: So profan sich das anhört: Mir fehlte der soziale Aspekt. Zunächst dachte ich, ich könnte ihn als CSR – als Corporate Social Reponsibility – in unserem Unternehmen implementieren. Aber ich gestand mir ein, dass ich meine persönlichen Bedürfnisse nicht mit meinem Unternehmen ausgleichen kann. Es machte also Sinn, etwas Neues zu starten.

Gründerküche: Deswegen sind Sie also ausgestiegen?

ND: Ich bin nicht ausgestiegen, sondern habe in meiner Company die notwendigen Strukturen geschaffen, dass ich als Person nicht mehr für das daily business benötigt werde. Deswegen bauten meine Mitgesellschafter und ich fast zwei Jahre lang ein Managementteam auf, das sich um das Tagesgeschäft kümmert. Als Gesellschafter schalte ich mich nur noch bei ganz wichtigen Themen ein.

Gründerküche: Der Begriff „social business“ ist recht schwammig: Können Sie ihn bitte etwas genauer beschreiben?

ND: Die Firmen sind genauso aufgestellt wie andere Companys.

Der einzige Unterscheid: Die Gewinne fließen nicht an die Gesellschafter, sondern vorrangig an die Gesellschaft.

 

Sie werden einem nachhaltigen, gemeinnützigen oder wohltätigen Zweck zugeführt, der z.B. in der Satzung festgeschrieben ist.

Gründerküche: Sie haben die Hilfswerft als social business gegründet: Warum ausgerechnet eine Unternehmensberatung?

ND: Es gibt Statistiken zu den Dingen, die Menschen glücklich machen. Ganz oben stehen Freunde in der unmittelbaren Umgebung, Liebe, Partnerschaft etc. An vierter Stelle steht: „Gutes tun, Menschen helfen“.

Zu jedem Glücklichmacher gibt es Online-Geschäftsmodelle. Facebook kümmert sich um die Freunde, Single-Börsen und andere Portale um Liebe und Partnerschaft. Wir gingen die Liste durch und dachten: „Überall, wo es darum geht, Menschen glücklich zu machen, sind milliardenschwere Geschäftsmodelle entstanden“. Nur im Bereich „Menschen helfen“ gibt es nichts.

Deshalb haben wir hilfswerft.de gegründet und setzen genau dort an. Die Hilfswerft ist im Prinzip eine Unternehmensberatung für Gründer im Social Business. In diesem spezifischen Bereich gibt es keine Wirtschaftsförderung: eine Lücke, die wir nach und nach füllen werden. Wir wollen Gründern zeigen, dass es sinnvoll ist, ihr Geschäftsmodell in einer sozialen Company umzusetzen.

Gründerküche: Wann ist eine Company denn sozial?

ND: Ich habe ein Beispiel eines Unternehmens, das social hätte sein können, aber sich entschieden hat, einen anderen Weg zu gehen. Tado hat smarte Thermostate entwickelt, mit denen sich die Heizung vom Smartphone steuern lässt. Eine ökologisch sinnvolle Sache, weil Energie gespart wird und damit Emissionen und Verbrauch reduziert werden können. Aber sie sind den klassischen Weg gegangen.

Die Hilfswerft zeigt den Gründern die Perspektive, ihre Ideen sozial zu denken. Dann steht der große Exit zwar nicht mehr im Vordergrund, auf der anderen Seite fallen häufig Werbung, PR und Marketing sehr viel leichter und man bekommt von Kunden und Community viel mehr zurück.

Wenn man ein erfolgreiches „social business“ führt, darf und soll man sich natürlich auch ein marktübliches Gehalt auszahlen.

Gründerküche: Was wäre denn da der soziale Hintergrund gewesen? In meinem Verständnis will Tado Thermostate verkaufen und Nutzerdaten auf den eigenen Servern sammeln …

ND: Social Entrepreneurship bedeutet im weitesten Sinne gemeinnützig. Die Gemeinnützigkeit ist in Deutschland sehr strikt definiert. Ein Punkt ist aber zum Beispiel Umweltschutz: wie etwa eine Technologie, mit der CO2-Emmissionen reduziert werden. Das ist nicht social im Sinne von „zwischenmenschlich“, hat aber langfristig eine soziale Implikation.

Gründerküche: Da könnte ja auch Mercedes-Benz kommen und sagen: „Ich entwickle ein e-Auto und reduziere die Emissionen“. Trotzdem würde niemand auf die Idee kommen, Mercedes-Benz als „social business“ zu bezeichnen …

ND: Absolut. Solange das Geld an die Aktionäre ausgeschüttet wird, wäre es das auch nicht. Tado ist nur ein Beispiel für eine Firma, die „social“ hätte sein können, wenn die Gründer früh genug auf die Möglichkeiten des „social entrepreneurships“ aufmerksam geworden wären. Hier wurde die Chance vergeben, aus einer coolen Idee ein „social business“ zu machen.

Gründerküche: Vielleicht kannten sie die Möglichkeiten des „social business“ einfach nicht …

ND: Dabei gibt in es Deutschland zahlreiche Geldgeber, die impact captial zur Verfügung stellen. Diese Investoren haben ein reduziertes Interesse an der Verzehnfachung ihres Kapitaleinsatzes, legen aber Wert auf einen größtmöglichen social impact, der durch ihr Geld ausgelöst wird.

Gründerküche: Wo genau kommt die Hilfswerft ins Spiel?

ND: Es geht der Hilfswerft darum, den Gründern, die grundsätzlich fürs Unternehmertum affin sind, das Thema social näher zu bringen und die zahlreichen Vorteile aufzuzeigen. Deswegen sind wir jetzt auch bei dem Startup-Camp in Berlin dabei. Dort sind ganz viele Leute, die das Potenzial haben, herausragende Gründer zu werden: Wir wollen ihnen einfach zeigen, dass „social business“ eine gute Alternative sein kann. Zum Beispiel lassen sich einfacher Mitarbeiter rekrutieren, die lieber für eine Sache arbeiten, an die sie auch glauben.

Gründerküche: Hat sich die Gründerszene diesbezüglich geändert? Noch vor ein paar Jahren wurde oft gegründet, um schnell einen großen Exit zu schaffen …

ND: Davon bin ich überzeugt. Ich habe mich selber auch verändert. Das ist vielleicht auch eine Frage des Alters. Die meisten Leute, die sich mit dem Thema auseinandersetzen, sind zwischen 30 und 35: Sie haben in einem gewissen Sinne ihre Ziele erreicht und merken, dass es in unserer Gesellschaft auch andere Aufgaben gibt, an denen sie mit ihrer kreativen Schaffenskraft arbeiten können. Ich glaube schon, dass ein Umdenken stattgefunden hat.

Gründerküche: Wie kann man „social entrepreneurship“ lernen?

ND: Wir arbeiten derzeit an einem Veranstaltungskonzept, um das Thema zusammen mit Universitäten in die Studiengänge zu tragen. Man lässt sich im Studium immer von bestimmten Kursen prägen.

Wenn erfolgreiche Social Entrepreneurs vor dir stehen und berichten, dass durch ihre Firmen zig Hektar Regenwald gerettet wurden, dann gibt es sicherlich Menschen, die das cool finden.

Man muss ihnen nur zeigen, dass es verschiedene Wege gibt, die man beschreiten kann.

Gründerküche: Haben Sie ein Beispiel?

ND: Im Online-Bereich ist das Boost Project ein gutes Beispiel: Das ist Affiliate Marketing, angewendet für einen guten Zweck. Boost gibt die Provisionen aus dem Affiliate Marketing an gemeinnützige Projekte weiter. Als User kann man sich sogar aussuchen, an welche. Man muss sich nur ein Add-On im Browser installieren und die eigenen Einkäufe, etwa bei Amazon oder Expedia, boosten. Das kostet den User keinen Cent extra.

Gründerküche: Viele Gründer im sozialen Bereich scheitern an fehlenden Kenntnissen in Buchhaltung und Wirtschaftlichkeit. Sind BWLer doch die besseren Gründer?

ND: Das Unternehmertum hat der sozialen Branche bisher gefehlt, deswegen ist sie nicht so erfolgreich, wie sie sein könnte. Geschichten wie Boost zeigen, was möglich ist. Die Unternehmen schütten ihre Gewinne nicht an die Allgemeinheit aus. Sie werden reinvestiert in den Gesellschaftszweck der Firma. Wenn ich zum Beispiel an einem Netzwerk für Nachbarschaftshilfe arbeite und damit Gewinn mache, dann wird das Geld genutzt, um zu wachsen: Zum Beispiel um mit dem Netzwerk auch in andere Ländern zu expandieren.

Gründerküche: Geht „social entrepreneurship“ in Richtung Kommunismus: Man arbeitet selbstbestimmt, und die Gewinne kommen allen zugute?

ND: Die Gewinne werden nicht im Marxschen Sinne an die Armen verteilt, das Geld bleibt in der Firma und sorgt zum Beispiel dafür, dass die Arbeitsbedingungen besser werden und dass Praktikanten besser vergütet werden. Die Gewinne sorgen dafür, dass man wächst. Das ist es ja auch, was die meisten Unternehmer wollen.

Daher ist „social entrepreneurship“ genau so betriebswirtschaftlich wie normale Gründungen aber Dinge wie Arbeitsqualität, Umwelt und Nachhaltigkeit bekommen einen Wert zugewiesen und werden entsprechend bei der Wertschöpfung berücksichtig.

In der VWL kennt man so etwas schon seit Jahrzehnten unter der Begrifflichkeit positiver/negativer externer Effekte.

Gründerküche: Man sollte als Social Entrepreneur also nicht nur social sein, sondern auch Entrepreneur?

ND: Unbedingt. Wenn Du nur social bist, denkst du nicht über Deine Kostenstrukturen nach oder wie sich Prozesse möglichst effizient gestalten lassen. Beide Bereiche zu verheiraten, ist genau die Herausforderung an der wir arbeiten. Wir wollen den Leuten zeigen: Es geht. Social Business ist eine sinnvolle Alternative, die in einer immer vernetzteren Welt mehr Vorteile als Nachteile mit sich bringen kann.

Zur Person Nils Dreyer

nils-dreyer-interview-hilfswerftNils Dreyer (Jahrgang: 1978) ist Gesellschafter der Unternehmensgruppe Collective IQ. Der Content-Marketing-Spezialist studierte Wirtschaftswissenschaften an der privaten Universität Witten/Herdecke. Seit 1999 ist er Internet-Unternehmer: Begonnen hat alles mit einer Online-Quiz-Community. Heute engagiert er sich als Social Angel und will jungen Gründern mit seiner neuen Company www.hilfswerft.de zeigen, dass es sich lohnt, Geschäftsideen als nachhaltige Konzepte mit sozialer Wirkung zu entwicklen.

 

 

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