Mehr Geld, mehr Spielraum: Beim Venture Capital stehen deutsche Start-ups besser da

Die Venture Capital Marktstudie 2021 sieht eine positive Entwicklung für das deutsche Start-up-Ökosystem. So steig das durchschnittliche Transaktionsvolumen auf 5,8 Mio. Euro und lässt die vertragliche Ausgestaltung von Finanzierungsrunden Gründerteams mehr Verhandlungsspielräume.

Nach welchen Kriterien bewerten Investoren Start-ups? Welche Trends gibt es bei der Gestaltung von Finanzierungsrunden? Und welche Rolle spielen Aspekte rund um den Themenkomplex Umwelt, Soziales und Governance (Environment, Social, Governance – kurz ESG)? Antworten auf diese Fragen gibt die Venture Capital Marktstudie 2021 (PDF-Download). Sie zeichnet im zweiten Jahr erneut ein umfassendes Bild des deutschen Risikokapital-Ökosystems, gibt Einblicke in Bewertungspraktiken sowie rechtliche Vereinbarungen, und erlaubt Rückschlüsse auf Verhandlungsprozesse und die Motivationen der Risikokapitalgeber.

„Wir sehen eine positive Entwicklung des Risikokapital-Ökosystems, von dem vor allem die Start-ups in Deutschland profitieren“, sagt Enrico Reiche, Director bei PwC. „So steigt unter anderem das durchschnittliche Transaktionsvolumen, während die erwartete Internal Rate of Return (IRR) sinkt und vertragliche Regelungen der Beteiligungsdokumentation meist eine gründerfreundlichere Ausgestaltung erhalten.“

Top 15 der VCs: Die wichtigsten deutschen Venture Capital Geber

Prof. Dr. Dirk Honold von der Technischen Hochschule Nürnberg, die Ventury Analytics GmbH und PwC Deutschland haben erneut Investoren befragt, die sich auf den deutschen Markt fokussieren oder Deals in Deutschland getätigt haben. Das von den Studienteilnehmern abgedeckte rechnerische Gesamtinvestitionsvolumen beträgt mehr als 2 Milliarden Euro pro Jahr bei mehr als 360 jährlich finanzierten Deals.

Höhere Bewertung, niedrigere Renditeanforderung

Im Vergleich zum Vorjahr ist das durchschnittliche Transaktionsvolumen je Finanzierungsrunde von 5,2 Millionen Euro auf 5,8 Millionen Euro gestiegen. In Hinblick auf die Renditeanforderungen gibt es Unterschiede zwischen klassischen Venture Capital (VC) und Corporate Venture Capital (CVC) Gesellschaften. VCs erwarten in der Frühphase eine durchschnittliche Rendite von 38 Prozent, während für CVCs 21 Prozent ausreichend sind. Insgesamt sind die erwarteten Renditen in allen Phasen niedriger als im Vorjahr. Während die Investoren vergangenes Jahr vor allem Start-ups rund um den Themenkomplex Industrie 4.0 im Blick hatten, verlagerte sich das Interesse nun auch auf das Segment BioTech.

Verhandlungsbereitschaft bei der Ausgestaltung und Bewertung der Finanzierung

In Bezug auf Bewertung, Investmentvolumen und die Ausgestaltung von Mitarbeiterbeteiligungen sind Investoren häufig verhandlungsbereit. Hier eröffnen sich Spielräume für die Gründerteams. Im Rahmen der vertraglichen Gestaltung von Finanzierungsrunden bestehen Investoren in den meisten Fällen weiterhin auf einer Liquidationspräferenz. Lediglich in der Spätphase tritt diese Gestaltung nur in etwa 50 Prozent der Fälle auf.

Verwässerungsschutzklauseln kommen in drei Viertel bis zwei Drittel der Fälle zum Einsatz. Der Anteil nimmt in den verschiedenen Phasen ab. Es wird überwiegend eine gründerfreundliche Klausel nach der Broad-Based Weighted-Average Methode gewählt. Am zweithäufigsten kommen Verwässerungsschutzklauseln nach der Full Ratchet Methode zum Einsatz.

„Der gewachsene Reifegrad des VC-Ökosystems mit immer professioneller strukturierten Start-up-Finanzierungen in Deutschland wird zudem durch immer mehr Relevanz von ESG-Kriterien ergänzt. Entscheidend für den Erfolg wird auch es sein, dass auch der Pull-Effekt durch den Exit der Investoren mit europäischen Trade Sales und IPOs gestärkt wird: Nur so kann ein nachhaltiges Start-Up-Ökosystem zum volkswirtschaftlichen Nutzen entstehen.“ sagt Prof. Dr. Dirk Honold.

Steigende Bedeutung von ESG-Kriterien und geringe Erwartung in Zukunftsfonds

Mehr als 60 Prozent der befragten Investoren berücksichtigen mittlerweile ESG-Kriterien in ihrem Anlageprozess. Von den übrigen Befragten planen mehr als 60 Prozent solche Kriterien in Zukunft zu berücksichtigen. Fast 80 Prozent der Studienteilnehmer nutzen bislang noch keinen standardisierten Screening-Prozess für den Themenkomplex Umwelt, Soziales und Governance (ESG).

Nur ein Viertel der Teilnehmenden berücksichtigt die ESG-Compliance bei der Erstbewertung und der Gesellschaftervereinbarung.Drei Viertel der Investoren haben bereits ESG-KPIs in ihr Fondsreporting aufgenommen oder planen dies.

Der von der Bundesregierung initiierte Zukunftsfonds, der vorrangig Start-ups in der Wachstumsphase unterstützen soll, ist nach Ansicht der befragten Investoren kein Game Changer. Über 70 Prozent der Teilnehmenden sehen nur eine geringe Auswirkung des Zukunftsfonds auf das Startup-Ökosystem.

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