Gründerökosysteme in Deutschland: Der richtige Ort für euer Startup
Vom Gründerökosystem ist viel die Rede. Doch was genau ist das? Welche Elemente, Institutionen und Akteure ein Gründerökosystem kennzeichnen, wie sie sich beeinflussen und wie die Gründerregionen in Deutschland sich hier positionieren, erfahrt ihr in unserem Fachartikel von RKW-Gründerexperte Dr. Matthias Wallisch.
Vom Gründerökosystem ist viel die Rede. Doch was genau ist das? Welche Elemente, Institutionen und Akteure ein Gründerökosystem kennzeichnen, wie sie sich beeinflussen und wie die Gründerregionen in Deutschland sich hier positionieren, erfahrt ihr in unserem Fachartikel von RKW-Gründerexperte Dr. Matthias Wallisch.
Das ist ein Gründerökosystem
Als Ausgangspunkt im Gründerökosystem gelten die Menschen in der Region – genauer: potenzielle Gründer – mit ihren besonderen Kenntnissen, Fähigkeiten und Einstellungen. Zu den gründungsaffinen Einstellungen gehören Risikofreude, Chancenorientierung und ein Hauch von Rebellion gegenüber bestehenden Strukturen. Das effiziente Zusammenspiel von Gründern, Bildungseinrichtungen, Unternehmen, Investoren, Kunden und regionaler Förderung wird als Gründerökosystem bezeichnet. In der Praxis erfolgt die Gründung am häufigsten dort, wo man zu Hause ist. Und wenn das Umfeld stimmt, dann steigt die Chance, dass die Gründung erfolgreich verläuft. Erfolgreiche Vorhaben sprechen sich herum und führen langfristig zur Nachahmung und somit zu mehr Gründungen.
Wir haben uns eine Reihe von Indikatoren näher angeschaut, um erfolgreiche Gründerökosysteme in Deutschland zu identifizieren und deren Beschaffenheit zu beleuchten. Als Ausgangpunkt wurde die Zahl an High-Tech-Gründungen herangezogen, um sechs besonders dynamische Regionen zu ermitteln.
1. Indikator des Gründerökosystems: High-Tech-Gründungen
Die Zahl an High-Tech-Gründungen wird herangezogen, um die Top-Gründungsstandorte in Deutschland zu identifizieren. Eine hohe Zahl an High-Tech-Gründungen deutet auf ein dynamisches Gründerökosystem hin.
Region | Bevölkerung | Gründungsintensität im High-Tech-Sektor |
München | 2.730.606 | 5,6 |
Hamburg | 1.734.272 | 4,3 |
Berlin | 3.375.222 | 4,2 |
Rhein-Main | 2.745.817 | 3,5 |
Stuttgart | 2.647.134 | 3,5 |
Köln | 2.188.420 | 3,4 |
Tabelle: Gründungen je 10.000 Erwerbsfähigen im High-Tech-Sektor nach Raumordungsregionen (Durchschnittswerte für die Periode 2010 bis 2013)
So sieht es in den Gründermetropolen Deutschlands aus:
Die Region München ist der Top-Standort für High-Tech-Gründungen in Deutschland. Die Gründungsintensität liegt hier bei 5,6. Danach folgen Hamburg und Berlin mit knapp über 4 Gründungen je 10.000 Erwerbsfähigen. Frankfurt, Stuttgart und Köln liegen etwas abgeschlagen dahinter. Eine hohe Zahl an High-Tech-Gründungen deutet auf erfolgreiche Universitäten, Forschungseinrichtungen und etablierte Technologieunternehmen hin. Es handelt sich hierbei um wichtige Institutionen, um den kontinuierlichen Zufluss an Talenten und Ideen in die Region zu gewährleisten.
2. Indikator des Gründerökosystems: Selbständigkeit
Dieser Indikator gibt Auskunft über den Bestand an Existenzgründern insgesamt. Eine Differenzierung nach Branchen oder Technologien erfolgt nicht. Ein vergleichsweise hoher Wert deutet auf eine überdurchschnittliche Gründungsaffinität der ansässigen Bevölkerung hin.
So sieht es in den Gründermetropolen Deutschlands aus:
In regionaler Hinsicht ist der Bestand an Selbständigen in Berlin am höchsten. Hier kommen auf 1.000 Erwerbstätige knapp 140 Selbständige. Danach folgen die Region München, Hamburg, die Rhein-Main-Region und die Region Köln mit jeweils über 100 Selbständigen je 1.000 Erwerbstätigen. Die Region Stuttgart weist im regionalen Vergleich den niedrigsten Bestand an Selbständigen auf. Der bundesweite Durchschnitt liegt in Bezug auf 1.000 Erwerbstätige bei 109 Selbständigen.
Die Regionen Rhein, Main, Köln und Stuttgart haben somit einen unterdurchschnittlichen Bestand. Berlin liegt hier als einzige Region deutlich über dem Schnitt, während die Regionen München und Hamburg nur leicht über dem bundesweiten Wert liegen.
3. Indikator des Gründerökosystems: Bestand an High-Tech-Unternehmen
High-Tech-Unternehmen sind ein Magnet für Talente und wirken anziehend auf hochqualifizierte Mitarbeiter. Unternehmen können technologisches Know-how entwickeln, aufnehmen und verbreiten. Es werden sogenannte spill-over-Effekte ausgelöst. Hiervon kann eine Region langfristig profitieren. Die Mitarbeiter in regionalen Unternehmen sind eine wichtige Quelle potenzieller Gründer. Besonders häufig sind High-Tech-Unternehmen in städtischen Regionen ansässig. Denn hier ist eine Ballung an Universitäten, Unternehmen, Forschungseinrichtungen, Förderinstitutionen und potenzielle Privat- oder Geschäftskunden anzutreffen. Dieses Umfeld ist für die Unternehmensgruppe besonders wichtig.
So sieht es in den Gründermetropolen Deutschlands aus:
Betrachtet man den Bestand an High-Tech-Unternehmen in den jeweiligen Regionen, so sind – wie bei den Gründungsaktivitäten – Hamburg und München mit etwa 1,7 Unternehmen je 1.000 Einwohnern führend. Danach folgen Stuttgart, Frankfurt und Berlin mit etwa 1,5 High-Tech-Unternehmen. Der Bestand in der Region Köln ist mit 0,83 Unternehmen im Vergleich halb so hoch und liegt somit nur leicht über dem deutschlandweiten Schnitt von 0,78.
Die Präsenz an High-Tech-Unternehmen ist demnach bei den Top 5 Regionen nahezu gleich stark ausgeprägt, während die Region Köln einen deutlich geringeren Bestand aufweist.
4. Indikator des Gründerökosystems: Verfügbarkeit von Venture Capital
Viele Gründer, Startups aber auch etablierte High-Tech-Unternehmen benötigen Venture Capital, um ihre Geschäftsideen voran zu treiben. Vor dem Hintergrund, dass Finanzierungen durch Venture Capital häufig auf der Basis von vertrauensvollen Beziehungen beruhen und diese am einfachsten durch räumliche Nähe und häufige persönliche Treffen entstehen, kommt dem regionalen Angebot von Venture Capital eine besondere Bedeutung zu. Der Anteil an High-Tech-Unternehmen mit VC-Finanzierung wird als Indikator für die regionale Verfügbarkeit herangezogen.
So sieht es in den Gründermetropolen Deutschlands aus:
Berlin weist bei High-Tech-Unternehmen mit einer Venture Capital Finanzierung den höchsten Anteil auf. Dieser liegt bei knapp unter 9%. Die Hauptstadt zeichnet sich demnach durch ein besonders gutes Zusammenspiel zwischen risikobereiten Investoren und Unternehmen mit viel versprechenden Technologien und Geschäftsideen aus. München folgt danach mit gut 5%, und liegt damit schon deutlich hinter Berlin. Interessanterweise belegt Köln bei diesem Ranking mit 4,2% den dritten Platz. Dieser Wert deutet auf eine überdurchschnittliche starke VC-Szene in der Region hin. Hamburg kommt mit knapp 4% nicht mehr unter die Top 3 – ein überraschendes Ergebnis für die Hansestadt, die beim Thema High-Tech und Gründung in der Regel ganz vorne mit dabei ist. Die Regionen Rhein-Main und Stuttgart sind beim Anteil der High-Tech-Unternehmen mit VC-Finanzierung mit etwa 1,5% deutlich abgeschlagen.
Demnach finden VC-Finanzierungen bei High-Tech-Unternehmen in Berlin fast sechs Mal häufiger statt als in der Rhein-Main-Region oder der Landeshauptstadt von Baden-Württemberg. Die niedrigen Werte sind vor dem Hintergrund eines bundesweiten Schnitts von 2,7% bemerkenswert.
5. Indikator des Gründerökosystems: Netzwerke und Events
Ein wesentliches Merkmal einer dynamischen Gründerszene ist eine Vielzahl von Events und Netzwerken. Und zwar auf formeller und informeller Ebene. Konferenzen, Meet-ups und Startup Weekends können beispielhaft angeführt werden. Die Möglichkeit zu Face-to-Face-Kontakten, die Entwicklung von Geschäfts- und persönlichen Beziehungen und die Entstehung von Vertrauensmomenten sind wichtige Voraussetzungen für die Entfaltung einer starken Gründerszene. Die gegenseitige Unterstützung der Gründer und Startups gilt dabei als prägendes Element.
Für eine einfache Orientierung wird die Zahl der auf www.startupdigest.com angekündigten Veranstaltungen herangezogen. Es handelt sich hierbei um eine der größten Online-Plattformen, um Events für Startups in den jeweiligen Regionen bekannt zu machen.
So sieht es in den Gründermetropolen Deutschlands aus:
Für den Zeitraum von Juli bis Dezember liegt Berlin mit über 250 angekündigten Ereignissen an erster Stelle, danach folgen Hamburg mit knapp 180, Frankfurt mit 140 und Stuttgart mit 130 Eintragungen. Für München wurden im betrachteten Zeitraum etwa 100 Veranstaltungen gezählt. Für die Region Köln wird die Plattform nicht genutzt. Hier werden andere Kanäle eingesetzt.
Grundsätzlich zeigt sich für die betrachteten Regionen, dass die Themen Gründungsförderung und Startups an Fahrt aufgenommen haben. Die Szene hat in Ihren Regionen eine Reihe von Events und Netzwerktreffen etabliert und bekommt hierfür zunehmend auch Unterstützung von Seiten der Politik, den Einrichtungen der Wirtschaftsförderung und den ansässigen Unternehmen.
6. Indikator des Gründerökosystems: Headquarter etablierter Unternehmen
Unternehmen sind potenzielle Geschäftskunden, die Produkte und Dienstleistungen von Startups nachfragen. Eine Ballung von Unternehmen und Organisationen aus einer Branche erleichtert für Gründer und Startups den Marktzugang und ermöglicht den Zugriff auf spezialisiertes Know-how. Man spricht häufig auch von Ankerunternehmen oder Branchenclustern, die für eine Region typisch sind.
Etablierte Unternehmen können verschiedene Rollen und Funktionen im Zuge der Entwicklung von Gründungsregionen übernehmen. Aus der Perspektive der etablierten Unternehmen besteht eine Reihe von Möglichkeiten für die Zusammenarbeit mit Startups und deren Förderung:
- Organisation oder Sponsoring von Events und Wettbewerben (z.B. Hackathons)
- Angebot von Ressourcen und Trainingsmaßnahmen (z.B. IT-Infrastruktur, Co-Working-Spaces, Management-Kurse)
- Unterstützung der Geschäftsentwicklung durch Akzeleratoren und Inkubatoren
- Zusammenarbeit: gemeinsame Produktentwicklung mit Startups, Nachfrage von Produkten und Dienstleistungen
- Investments in Startups (Corporate Venturing)
- Beteiligung an Startups oder Akquisition von Startups.
Es ist klar, dass Unternehmen mit Startups nicht aus altruistischen Gründen kooperieren oder diese unterstützen, sondern mit dem Ziel, die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.
So sieht es in den Gründermetropolen Deutschlands aus:
Als Indikator für die Präsenz von Ankerunternehmen wird die Marktkapitalisierung börsennotierter Unternehmen mit Hauptsitz in der jeweiligen Region herangezogen. Die Analyse umfasst die im DAX, MDAX und TECDAX gelisteten Unternehmen.
- Die Region München ist in dieser Hinsicht mit über 20 Unternehmen und einer Marktkapitalisierung von über 350 Mrd. Euro besonders stark. Dies zeigt sich auch in der Vielfältigkeit der Wirtschaftsstruktur mit mehreren Unternehmen in den Segmenten Versicherung, Medien und Hochtechnologie.
- In der Rhein Main-Region haben 15 Unternehmen ihren Hauptsitz. Die Marktkapitalisierung zum betrachteten Stichtag beläuft sich auf über 160 Mrd. Euro. Auch hier zeigt sich ein ausgewogener Branchenmix u.a. mit den Bereichen Bankwirtschaft, Pharmazie, Software sowie Logistik und Verkehr.
- Für die Region Köln (mit Leverkusen) beläuft sich die Zahl der Unternehmen lediglich auf vier. Die relativ hohe Marktkapitalisierung von über 100 Mrd. Euro ist vor allem auf das Life-Science-Unternehmen Bayer zurückzuführen. Des Weiteren haben der Fertiger und Entwickler von Werkstoffen Covestro – ein Tochterunternehmen von Bayer – sowie der Spezialchemiehersteller Lanxess und das IT-Unternehmen QSC ihre Hauptsitze in der Region.
- In der Region Stuttgart haben sieben Unternehmen aus den betrachteten Aktiensegmenten ihren Hauptsitz. Die Marktkapitalisierung lag am betrachteten Stichtag bei knapp 100 Milliarden Euro. Dabei entfällt auf Daimler ein Anteil von etwa 80 Prozent. Weitere Unternehmen kommen u.a. aus den Branchen Maschinenbau und Informationstechnologie. Hierbei spiegelt sich die Stärke der Region als Automotive- und High-Tech-Standort wider.
- In Hamburg haben immerhin zehn Unternehmen aus den betrachteten Aktiensegmenten ihren Hauptsitz. Die Marktkapitalisierung erreicht etwa 40 Mrd. Euro. Der Konsumgüterkonzern Beiersdorf ist hier für das Gros der Marktkapitalisierung verantwortlich. Die Zusammensetzung deutet eine ausgewogene Mischung der Hamburgischen Wirtschaftsstruktur an. Hier sind u.a. die Bereiche Pharma, Maschinenbau und Windenergie vertreten. XING hat seinen Hauptsitz ebenfalls in Hamburg. Das soziale Netzwerk wurde 2003 gegründet und zählt zu den Erfolgsgeschichten der deutschen Gründerszene.
- Berlin weist von den betrachteten Regionen mit lediglich zwei Unternehmen und fast 13 Mrd. Euro die geringste Marktkapitalisierung auf. Das E-Commerce-Unternehmen Zalando und der Axel Springer Verlag haben ihren Hauptsitz in Berlin. Der B2B-Bereich bietet in Berlin zumindest auf den ersten Blick weniger Möglichkeiten als in anderen Regionen. Eine starke Startup-Szene mit dem Fokus auf Consumer und Apps unterstreichen diesen Eindruck.