Lampenfieber – wie Sie es in den Griff bekommen, 3 praktische Tipps vom Profi

Schwitzige Hände, nervöse Zuckungen, unruhiges Trippeln. Was steckt hinter Lampenfieber und wie bekommen Sie es in den Griff? 3 Praktische Tipps von Michael Moesslang, Experte für Rhetorik und Körpersprache.

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Lampenfieber: Ob Sie präsentieren, ein wichtiges Gespräch mit einem Investor, Kunden oder Mitarbeiter führen oder verhandeln, Aufregung kann ganz schön nervig sein. Eine gute Nachrichten vorab: Nervosität fällt meist weniger auf, als man es selbst an sich vermutet. Außerdem hat fast jeder Verständnis: Umgekehrt könnte es ihm ja ebenso gehen. Trotzdem stört die Nervosität – am meisten Sie selbst. Und sie reduziert Ihre Wirkung auf andere Menschen. Ob es lästige körperliche Symptome sind, die Angst davor, unsicher zu wirken oder das Fehlen vorher so schön zurecht gelegter Gedanken und Pointen: Sie wollen eine Situation ohne Lampenfieber meistern. Nun – das können Sie üben.

Lampenfieber? Das passiert mit Ihnen: Verstehen Sie Ihren Körper!

© Brian Jackson - Fotolia
© Brian Jackson – Fotolia

Das schlimmste am Lampenfieber sind die körperlichen Symptome, die Sie einfach nicht zu beherrschen wissen. Warum schwitze ich, warum zittert meine Stimme? Machen Sie sich klar, was da gerade mit Ihnen passiert:

Präsentation = Sie allein vor vielen

Wenn Sie eine Präsentation halten, dann ist das eine konfrontative Situation: Sie stehen alleine gegenüber vielen. Allein das schon ist ein Auslöser körperlicher Mechanismen. Und Sie haben den Wunsch nach einem perfekten Auftritt, wollen peinliche Momente vermeiden und Ihnen ist das Ergebnis Ihrer Präsentation besonders wichtig: Sei es, weil Sie Investoren überzeugen wollen, neue Kunden gewinnen oder auch nur die Masse Ihnen gegenüber begeistern. Was für ein Druck! Ihr Körper reagiert mit Adrenalin-Ausstoß und Anspannung vieler Muskeln.

Ihre Atmung blockiert bei Aufregung

Einer dieser Muskeln ist das Zwerchfell. Das Ergebnis der Anspannung: Kurzatmigkeit, trockener Mund. Und aufgrund geringerer Sauerstoffzufuhr können Sie sich auch schlechter konzentrieren. Ein Teufelskreis!

Lampenfieber Tipp 1: Tief Luft holen

Sicher haben Sie schon einmal davon gehört, dass Sie gegen Nervosität frische Luft atmen sollen. Dabei geht es weniger um frisch, vielmehr um das bewusste Atmen in den Bauch – gegen die Sperre des Zwerchfells. Sobald Sie also Aufregung spüren, atmen Sie erst einmal in Ruhe drei Mal tief durch. Und zwar in den Bauchraum. Nehmen Sie sich insbesondere vor Präsentationen oder Reden die Zeit. Stellen Sie sich sich dazu sicher in die Mitte der Bühne, lächeln Sie Ihr Publikum mit Blickkontakt an, atmen Sie in Ruhe und beginnen Sie erst dann zu sprechen. Auch wenn Sie jetzt glauben, das Warten macht sie noch nervöser, das richtige Atmen holt Sie runter.

Lampenfieber Tipp 2: Kopf frei mit einem Anker

Wussten Sie schon, dass Sie Anker nutzen? Gemeint ist ein Auslöser für einen emotionalen oder mentalen Zustand. Das ist wie beim Pawlow’schen Hund: Der Hund bekam immer eine Glocke zu hören, bevor es Fressen gab. Ergebnis: Später reichte die Glocke, und dem Hund lief der Sabber im Mund zusammen, schließlich gab es gleich Fressen! Auch Sportler ankern sich Zustände von Konzentration, Siegessicherheit, Schnelligkeit. Und auch Sie selbst haben – wie jeder Mensch – viele Anker, ohne sich dieser bewusst zu sein.

Schritt 1 zum Anker:

Programmieren Sie sich einen Anker, mit dem Sie jederzeit Ihr Lampenfieber los werden. Das Gegenteil von Lampenfieber ist Sicherheit und Souveränität. Und diesen Zustand sollten Sie ankern. Als Anker benötigen Sie etwas, das Sie nicht zufällig machen und das Ihrem Gegenüber nicht auffällt. Ich empfehle mit dem Nagel des linken Daumen auf die Innenseite des kleinen Fingers zu drücken. Das ist quasi die Glocke von Pawlow.

Schritt 2 zum Anker:

Nun brauchen Sie noch eine starke Erinnerung an eine Situation, bei der Sie sich sehr souverän und sicher gefühlt haben, egal in welchem Kontext. Ich empfehle Ihnen dazu, sich hinzustellen und die Augen zu schließen. Holen Sie sich das Gefühl von Sicherheit und Souveränität so intensiv wie möglich her. Verdoppeln und vervierfachen Sie die Stärke des Gefühls, so gut Sie können. Und in dem Moment, in dem Sie es am stärksten spüren, drücken Sie für ein bis zwei Sekunden den Anker.

Schritt 3 zum Anker:

Die Programmierung geschieht durch regelmässige Wiederholung. Dazu machen Sie diese Übung drei Mal täglich ungefähr einen Monat lang. Am besten Sie setzen sich eine Erinnerung in Ihr Handy. Bei regelmässiger Anwendung reicht danach ein kurzer Druck Ihres Ankers und Sie fühlen sich sicher und souverän.

Tipp 3 bei Lampenfieber: Dissoziieren Sie sich in kritischen Situationen

Ich selbst habe nie Probleme gehabt, vor Menschen zu sprechen. Dabei wusste ich nicht, welche Technik ich anwende: Das geschah einfach automatisch. Erst viel später wurde mir das bewusst: Es ist die Technik des Dissoziierens. Dabei ist das Lampenfieber nicht einfach weg, sondern Sie nehmen es einfach nicht mehr wahr. Also stört es Sie auch nicht mehr.

Wenn Sie sich an Situationen erinnern, davon träumen oder sich welche in der Zukunft vorstellen gibt es genau zwei Möglichkeiten, wie Sie dies tun können. Assoziiert ist, wenn Sie dies so erleben, als wären Sie Sie selbst, also in Ihrem Körper und wie wenn es eben geschähe. Dissoziieren ist, wenn Sie sich dabei von außen zusehen. Probieren Sie es aus, indem Sie sich jetzt an eine einfache Tätigkeit erinnern. Sind Sie dabei assoziiert oder dissoziiert? Versuchen Sie zu wechseln von assoziiert zu dissoziiert und umgekehrt.

Schritt 1 zum Dissoziieren – Üben Sie

Üben Sie dies in verschiedenen Situationen. Zunächst bei banalen Tätigkeiten, bei denen Sie alleine sind: Zähneputzen, Zeitung lesen, Auto fahren etc. Ziel ist es, den Wechsel jederzeit und schnell hin zu bekommen. Danach üben Sie in Situationen, bei denen Sie gleichzeitig mit anderen im Gespräch sind. Sie werden schnell merken: Assoziiert spüren Sie nicht nur Ihren Körper und nehmen alles persönlich wahr, Sie spüren auch Gefühle und Emotionen. Dissoziiert sind diese Dinge in weite Ferne gerückt. Genauer gesagt können Sie sie nicht mehr spüren sondern nur noch an sich selbst beobachten.

Schritt 2 zum Dissoziieren – Die Mutprobe

Sobald Sie diese Technik beherrschen, können Sie diese immer dann nutzen, wenn Lampenfieber aufkommt. Sie werden nun zwar vielleicht noch nervös sein, doch dies selbst nicht mehr spüren. Die Vorteile sind logisch: Sie können sich besser konzentrieren, sie steigern sich nicht stärker ins Lampenfieber hinein und Sie fühlen sich insgesamt besser. Die selbe Technik funktioniert übrigens gegen Wut (beim Streiten), Ärger, Traurigkeit und viele weitere störende negative Emotionen.

Schritt 3 zum Dissoziieren – Schnell zurück zum Assoziieren

Sobald Sie allerdings kein Lampenfieber mehr haben, sollten Sie sich unbedingt wieder assoziieren. Denn nur assoziiert können Sie Ihre eigenen positiven Emotionen wahrnehmen, wie Begeisterung, Stolz und Freude. Und diese sollten Sie unbedingt zeigen.

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