So gründet man erfolgreich – Interview mit Serien-Entrepeneur Michael Silberberger über Fehler, Chancen und Erfolge
Zeiten ändern sich – und das ist gut so, findet Michael Silberberger. Der Serial-Entrepreneur hat 1999 seine erste eigene Firma gegründet – den regionalen Stellenmarkt jobsintown, in den er damals sechsstellige Beträge investierte. 15 Jahre später freut sich Silberberger, dass das Gründen viel einfacher geworden ist und mit weniger Kapital auskommt. Im Interview mit Gründerküche erzählt der Eintracht Frankfurt-Fan freimütig von eigenen Fehlern, gibt praktische Tipps, wie man sie vermeiden kann und erklärt, warum Nachhaltigkeit und Eigenverantwortung die wichtigsten Erfolgsfaktoren bei Unternehmensgründungen sind.
Zeiten ändern sich – und das ist gut so, findet Michael Silberberger. Der Serieal-Entrepreneur hat 1999 seine erste eigene Firma gegründet – den regionalen Stellenmarkt jobsintown, in den er damals sechsstellige Beträge investierte. 15 Jahre später freut sich Silberberger, dass das Gründen viel einfacher geworden ist und mit weniger Kapital auskommt. Im Interview mit Gründerküche erzählt der Eintracht Frankfurt-Fan freimütig von eigenen Fehlern, gibt praktische Tipps, wie man sie vermeiden kann und erklärt, warum Nachhaltigkeit und Eigenverantwortung die wichtigsten Erfolgsfaktoren bei Unternehmensgründungen sind.
Herr Silberberger, sie haben vor mehr als 15 Jahren Ihre erste Firma gegründet: Was waren die signifikantesten Änderungen in der Gründerszene seit dieser Zeit?
Es ist einfacher geworden. Durch die Weiterentwicklung der Servertechnologien hin zur Cloud und durch die Mobilität hat sich auch die Art, wie man mit Teams zusammenarbeiten kann, dramatisch verändert.
Welchen Einfluss hatte die Vernetzung der Welt konkret?
Dadurch konnten sich die Geschäftsmodelle ändern. Man kann über Internet-Seiten und Blogs Einnahmen generieren – ohne eine große Anlaufinvestition tätigen zu müssen. Früher brauchte man eigene Server, heute mietet man sich unkompliziert in einen Serverpark ein. Das reduziert die Gründungskosten und ist auch für kleine Unternehmen, für Nebenerwerbsgründer, die bei eBay Dinge verkaufen, die sie in kleinen Stückzahlen aus Asien importieren, gut. Heute benötigen Gründer wesentlich weniger Kapital, um ein Unternehmen aufzubauen, als es vor 15 Jahren der Fall war.
Wie viel Kapital haben Sie für die Gründung Ihrer ersten Firma Jobsintown 1999 gebraucht?
Wir investierten damals sechsstellige Beträge und haben zunächst gebootstrappt. Erst später kamen externe Investoren dazu. Heute ist es allein durch die rechtlichen Rahmenbedingungen leichter geworden, Firmen zu gründen.
Vor 15 Jahren musste man für eine GmbH 50.000 D-Mark Stammkapital erbringen, heute reicht ein Euro aus, um eine UG zu gründen.
Welche Rolle spielt die Politik bei der der Vereinfachung der Gründungsvorgaben?
Es ist politisch gewollt, dass durch Gründungen das Innovationsklima verbessert wird, dass in Deutschland investiert wird. Man will die Innovationskraft in bestimmten Bereich im Land halten. Deutschland soll ein Gründerstandort sein. Hier setzt firma.de an: Wir wollen, dass die Firmengründung sicher und nachhaltig sind.
Sie haben mit Ihren eigenen Firmen zehntausende Gründungen begleitet: Wie hoch ist der Anteil an innovativen Branchen und wie viele kleine Online-Shops oder Importläden sind dabei?
Bei firma.de decken wir in etwa den Branchenschlüssel der Kreditanstalt für Wiederaufbau, der KfW, ab. Das heißt, dass wir breit aufgestellt sind. Es gibt natürlich auch Tech- und Internetunternehmen. Aber die Gründungen, die wir vornehmen, sind in der Breite: 28 Prozent im Handel, 16 Prozent im IT-Bereich, Dienstleistungen sind mit 15 Prozent vertreten, das Handwerk mit zehn Prozent.
Mit Ihrem Service soll das eigene Unternehmen recht fix gegründet sein: Wie nachhaltig ist es denn, so schnell zu gründen? Ich denke da vor allem an Jung- und Erstunternehmer: Fehlt ihnen bei einem Schnell-Service nicht die Beratung?
Im Durchschnitt hören 30 Prozent aller Firmen in den ersten drei Jahren auf. Wir wollen natürlich, dass Firmen, die mit unserem Service gegründet werden, deutlich geringere Insolvenz- oder Geschäftsaufgabequoten haben. Unser Ziel ist es, dass sich Firmen, die mit uns gegründet werden, langfristig am Markt etablieren. Das Angebot von firma.de ist ein produkt- und branchenunabhängiges System, das man sich modular zusammenstellen kann. Wir kümmern uns um die Gründung, sodass für den Gründer die ganze Bürokratie entfällt und er seine Energie auf das Produkt und die Kunden fokussieren kann. Mit der Gründung allein ist es aber nicht getan. Wir bieten zum Beispiel einen Buchhaltungsservice und ein Telefonsekretariat, seit Januar ist der Inkasso- und Factoringservice neu. Wichtig für Gründer und Unternehmer ist auch die richtige Dienstleisterauswahl. Auf www.firma.de findet man passende Dienstleister, die auch bewertet sind.
Das hört sich an, dass Sie ihre Firma entwickeln und länger behalten wollen, nachdem Sie schon ein paar eigene Unternehmen verkauft haben …
Sie spielen auf Semigator an: Unsere Anteile wollten wir eigentlich behalten. Der Käufer allerdings bestand auf eine 100-Prozent-Beteiligung, sodass wir verkaufen mussten. Firma.de wollen wir aber behalten und weiterentwickeln:Das Unternehmertum ist ganz klar unser Thema. Christian Manthey, der Gründer von firma.de, ist zum Beispiel im Bundesvorstand „Die jungen Unternehmer – BJU“ und engagiert sich politisch als Vorsitzender der Kommission Gründer und Innovation für bessere Gründerbedingungen in Deutschland. Ich selbst habe Lehraufträge an verschiedenen Hochschulen zum Thema Entrepreneurship. Es gibt überhaupt keinen Grund, firma.de zu verkaufen. Unser Ziel ist es eher, das Unternehmen groß zu machen.
In der medialen Berichterstattung kann man leicht den Eindruck bekommen, dass viele Startups mit dem Ziel gegründet werden, schnell einen profitablen Exit zu schaffen …
Diese Wahrnehmung trügt. Die Super-Exits, über die berichtet wird, ergeben in der Summe vielleicht 100 oder 200. Egal, welche Zahl das genau ist: Wenn man sieht, dass pro Jahr rund 350.000 Firmen gegründet werden, dann geht es der Mehrheit der Gründer nicht um den Exit. Aber es gibt Situationen, in denen man als Unternehmer loslassen muss.
Haben Sie ein konkretes Beispiel?
Wir waren mit Semigator sehr erfolgreich, gewannen 2012 mehrere DAX-30-Unternehmen, die ihre Weiterbildungsmaßnahmen über uns als Abwicklungspartner komplett auslagerten. Um aber umsatztechnisch den nächsten Schritt zu gehen, gab es einen extremem Kapitalbedarf im Bereich IT. Das konnten wir als Gründer einfach nicht stemmen. Es gab nur eine Möglichkeit: einen großen Partner ins Boot zu holen, der Semigator weiterentwickeln kann. Wir mussten also im Sinne des Unternehmens Anteile verkaufen, in dem Fall leider alle.
Wir mussten unser Baby loslassen können, damit es weiterwächst.
Sie haben nicht nur Semigator gegründet, sondern auch jobsintown und Go Ahead. Rückblickend betrachtet: Welche Fehler haben Sie bei diesen Gründungen gemacht?
Ich habe so viele Fehler gemacht, dafür reicht der Serverplatz wahrscheinlich nicht aus (lacht). Mein größter Fehler bei den Gründungen war, dass ich zu schnell zu hohe Fixkosten aufgebaut habe.
Man sollte eigentlich soviel wie möglich outsourcen, um flexibel zu bleiben. Das ist auch die Theorie von Günter Faltin, der das Prinzip „Gründen mit Komponenten“ entwickelte.
Zum Beispiel ist es ein Wahnsinn, dass man die Buchhaltung in einem Startup selbst machen will: Das sind einerseits Fixkosten und schlimmer noch – es lenkt ab vom Kerngeschäft. Man bekommt den Service viel günstiger von extern.
Liefen Ihre Verkäufe immer glatt?
Nein. Der größte Fehler bei Verkäufen war: Ich habe sie ohne Merger & Acqusitions-Berater gemacht. M&A-Berater aber können Kaufpreise ganz schön nach oben treiben. Oder ich haben in einem Fall nur mit einem potenziellen Käufer gesprochen, was den Kaufpreis natürlich gedrückt hat.
Schlimm war auch, dass ich langfristige Potenziale unterschätzt und mir keine Earn-Out-Klausel in den Vertrag geschrieben habe: Dadurch konnte ich nicht von den positiven Entwicklungen der Firmen profitieren.
Man sollte sich unbedingt mit einem Berater zusammensetzen und alle möglichen Szenarien durchdenken.
Das gilt doch sicher auch im laufenden Betrieb …
Richtig. Ein riesiger Fehler bei Semigator war etwa fehlende IT-Kompetenz: Wir wechselten innerhalb von drei Jahren drei Mal das CM-System und drei Mal das Buchhaltungssystem. Das waren jedes Mal unfassbare Implementierungskosten. Wichtig ist auch hier, dass man Zeit investiert und sich extern beraten lässt, um in Sachen technischer Kompetenz breiter aufgestellt zu sein. Langfristigkeit ist im unternehmerischen Denken und in der Planung essentiell.
Wie verträgt sich die schnelle Gründungsmentalität, die auch von Ihnen mit einem 24-Stunden-Service gefördert wird, mit dieser Langfristigkeit und der Notwendigkeit, nachhaltig zu planen?
Die Nachhaltigkeit einer Firma wird in der Vorbereitungsphase angelegt. Wir haben bei firma.de bereits seit 2010 am Konzept gearbeitet. Die erste Version war im Herbst 2012 online, bis es dann richtig losging, war es 2013. Der Entwicklungszeitraum war also extrem lang. Das ist bei anderen Gründern ähnlich: Man hat Ideen und entwickelt Konzepte. In der Planungsphase ist die Firma aber noch gar nicht gegründet: Denn eine Firmengründung bedeutet immer Bürokratie und Vorschriften. Also wird versucht, die eigentliche Gründung so lange wie möglich rauszuzögern. Bis es dann Gespräche mit potenziellen Kunden gibt, erste Kooperationsverträge unterschrieben werden sollen und es plötzlich ganz schnell gehen muss.
Was erwarten Sie von der Politik, damit es Gründer einfacher haben?
Es gibt durchaus Bestrebungen, bürokratische Hürden in den nächsten Jahren abzubauen. Aber ob es nun Lockerungen bei den Buchhaltungsvorgaben gibt, hier soll die Umsatzschwelle hochgesetzt werden, ist nicht ausschlaggebend für den Erfolg einer Gründung. Dafür sind die Unternehmer selbst zuständig. Sie müssen konzentriert an ihrer Produktentwicklung und Marktpräsenz arbeiten.
Klar: Die Gründungsbürokratie ist immer noch zu kompliziert, aber sie hindert niemanden daran, ein erfolgreiches Unternehmen zu starten.
Die Stolpersteine lauern woanders: Man setzt auf das falsche Personal. Man fährt die falsche Werbestrategie. Man sucht falsche Dienstleister aus. Das passiert auch erfahrenen Gründern. Diese Gefahren sind viel größer, als die wenigen Hürden, die man von der Politik vorgegeben bekommt.
Zur Person Michael Silberberger
Michael Silberberger ist – was Gründungen angeht – ein Serientäter. Mehr als 25.000 Firmengründungen hat er nach eigener Auskunft in Deutschland begleitet. Darunter auch die eigenen Unternehmen jobsintown, Go Ahead, Semigator und zuletzt firma.de. Silberberger war 2008 maßgeblich daran beteiligt, die Unternehmergesellschaft (UG) in Deutschland zu etablieren. Sein aktuelles Unternehmen Firma.de bietet einen Systembaukasten für Gründer an: Neben den Gründungsformalitäten können auch Module wie Businessplan, Lohnabrechnung, Buchhaltung, Telefonsekretariat und Expertencoaching gebucht werden.