Wolf Wilder: „Wenn ich übernehme, steige ich von Tag 1 in ein laufendes Geschäftsmodell ein …“
Interview mit Wolf Wilder, Nachfolgebegleiter & Autor
Die Kultur und das Werteverständnis des vorherigen Geschäftsführers zu kennen und zu verstehen, die Mitarbeiter mitzunehmen, sie für die Notwendigkeit und Chance von neunen Entwicklungen zu gewinnen, braucht Erfahrung bei der Personalführung und Weiterentwicklung. Über diese und weitere wichtige Grundlagen bei der Unternehmensnachfolge spricht Nachfolgeberater Wolf Wilder, Mitautor unseres neuen Handbuches „Nachfolge statt Neugründung“.
Nachfolge statt Neugründung | Das Gründerküche Handbuch
Wolf, unser gemeinsames Handbuch zur „Nachfolge statt Neugründung“ ist gerade erschienen. Warum ist das so eine Herzensangelegenheit für dich, wie bist du zum Thema Nachfolge gekommen?
Wolf Wilder: Erst einmal Danke für die Gelegenheit mit euch gemeinsam dieses Projekt von Anfang bis Ende realisieren zu können, von beiden Seiten sind tolle Ideen und Ansätze für die lesenden Gründer eingeflossen. Warum hat es mich das Thema so begeistert?
Zunächst einmal habe ich selbst ein Unternehmen gegründet und es erfolgreich aufgebaut und dann übergeben. Ich kenne also den Prozess, die Schwierigkeiten, die bei einer Gründung auftreten können und die damit verbundenen Herausforderungen. Als ich dann anfing, mich mit dem Thema Nachfolge bzw Gründung durch Nachfolge zu beschäftigen, stellte ich fest, wie viele Unternehmer sich mit dem Thema Nachfolge schwer tun, wie relativ wenig Hilfe es dazu bisher gibt und hier wollte ich mit meiner Erfahrung und dem Know How der Gründerküche einen kleinen Beitrag leisten, Mut machen und zur Gründung durch Nachfolge inspirieren.
Es ist nicht notwendig, dass so viele Nachfolgen scheitern und ein Lebenswerk nicht als Hinterlassenschaft zukünftigen Generationen dienen kann.
Und nun kommen gerade bei externer Nachfolge die Gründer ins Spiel, die durch Nachfolge gründen wollen. Diesen Match zu schaffen, etwas zu unterstützen und die zukünftigen Unternehmer auf ihrem Weg ins Unternehmertum zu begleiten, macht einfach Spaß, ebenso wie das gemeinsam mit Euch erarbeitete Handbuch den Lesern Spaß machen soll.
Was sind deiner Meinung nach die wirklich wichtigen/kritischen Themen bei der Nachfolge?
Wolf Wilder: Der zu späte Beginn. Der Prozess ist komplex und jede Nachfolge ist anders. Es sind rechtlich und steuerliche Fristen zu berücksichtigen, auch für einen Plan B noch ausreichend Zeit einzuplanen, wenn der sicher geglaubte Plan A nicht gelingt. Der Prozess kann gut gelingen, wenn ich aus einer starken Position heraus starte und nicht erst dann wenn mir bereits die Puste ausgegangen ist und ich so schnell wie möglich alles übergeben will.
Bei der familieninternen Übergabe scheitert es oft an der fehlenden Kommunikation und häufig unterschiedlichen Interessenkollisionen und der fehlenden Bereitschaft, rechtzeitig parteilose Beratung (Mediation) hinzuziehen oder auch den Plan B einer Alternative von Fremdmanagement, über Stiftung oder Verantwortungseigentum mitzubedenken.
Im Leitfaden ist ein wichtiger Punkt die eigene Gründerpersönlichkeit – ist das noch wichtiger bei der Nachfolge als bei der Neugründung?
Wolf Wilder: Ja, wenn ich neu gründe, fange ich bei Null an, Fehler werden mir leichter verziehen, die Verantwortung zum Beispiel für Mitarbeiter ist nicht oder nur begrenzt da. Wenn ich
übernehme, steige ich von Tag 1 direkt in ein laufendes Geschäftsmodell ein, meine Entscheidungen haben teilweise sofort gravierende Auswirkungen auf das Unternehmen.
Wie im Handbuch auch dargestellt ist hier entscheidend, das das Unternehmen zu meiner Persönlichkeit weitestgehend passt: Am Anfang behutsam mit Veränderungen umzugehen und dann rechtzeitig aber doch die notwendigen Neuerungen einzuführen, dass ist entscheidend.
Die Kultur und das Werteverständnis des vorherigen Geschäftsführers zu kennen und zu verstehen, die Mitarbeiter mitzunehmen, sie für die Notwendigkeit und Chance von neunen Entwicklungen zu gewinnen, braucht Erfahrung bei der Personalführung und Weiterentwicklung.
Auch wenn ich mir die Gründergeschichten bei Euch auf der Seite ansehe, erkenne ich, wie wichtig die eigene Persönlichkeit für den langfristigen Erfolg als Unternehmer ist.
Was muss ein „Übernahme-Gründer“ denn an Eigenschaften mitbringen?
Wolf Wilder: Das gleiche wie einer, der neu gründet. Das Unternehmer Gen, bereit sein, Verantwortung zu übernehmen und auch Entscheidungen zu tragen, Risiken einschätzen können und gezielt auch welche eingehen in bestimmten Momenten. Als Übernahme-Gründer sollte man aber auch Demut und Wertschätzung dem Alt-Unternehmer entgegenbringen. Und die Geduld, nicht gleich alles am ersten Tag komplett anders machen zu wollen.
Von Nachfolge-Börsen bis M&A Berater – wie würdest du vorgehen, wenn du selbst ein Unternehmen zur Übernahme suchen würdest?
Wolf Wilder: Auf jeden Fall zunächst einmal unseren gerade erschienenen Ratgeber lesen … :-) Aber im Ernst, als erstes klare Suchkriterien formulieren: Was will ich und was will ich unter keinen Umständen! Dann die ersten 3 Monate im eigenen Netzwerk (Freunde, Hausbank, Steuerberater und die IHK) suchen um dann im weiteren zusammen mit einem Experten gezielt und im großen Umfang Unternehmen aktiv anschreiben, nicht nur die, die im Markt auf den Unternehmensbörsen sind sondern besonders die, die nicht auf dem Markt sind. Hier können Berater Tempo in den Suchprozess bringen!
Das Suchen des zu mir passenden Unternehmens sollte mein Fulltime Job sein. So nebenbei kann es sehr lange dauern und die Euphorie Unternehmer zu werden, sinkt mit der Zeit.
Es wird immer wieder der Übergabeprozess erwähnt, die Chemie zwischen Alt- und Neu-Eigentümer. Was ist wichtig, was sollte man vermeiden, wie geht man vor?
Wolf Wilder: Wichtig ist zunächst Vertrauen. Vertrauen entsteht, wenn gegenseitige Vereinbarungen eingehalten werden. Eine gute Absprache über Aufgaben und Rollen und sich dann daran halten – das ist die Basis. Eine gute Feedbackkultur, offen Kritisches anzusprechen, immer mit dem gemeinsamen Ziel: Das Unternehmen voran zu bringen und erfolgreich zu führen und das eigene Ego hinten anzustellen.
Gegenseitige Wertschätzung, d.h. die beidseitigen Stärken anzuerkennen und dies als Ergänzung und Stärkung für den gemeinsamen Weg auch des Unternehmens zu sehen, ist ebenfalls wichtig. Ich selber habe es wieder hautnah mit der Gründerküche erlebt, wie sehr man voneinander und dann miteinander profitieren kann, wenn man sich gegenseitig vertraut und wertschätzt, um dann Neues entstehen zu lassen.
In deinen Beratungen sprichst du von Emotionsmanagement – was kann ich mir da praktisch vorstellen?
Wolf Wilder: Emotionsmanagement ist die Kompetenz, die eigenen Gefühle bewusst konstruktiv zu steuern. Den Einfluss von Gefühlen auf Entscheidungen zu kennen. Nachfolge ist eben nicht nur rational, auch wenn es um viele rationale Aspekte geht, sind diese von Emotionen beeinflusst.
Ein Beispiel: Unternehmer haben einen emotionalen Wert ihres Unternehmens im Kopf, der nichts mit den Fakten zu tun hat. Trotzdem hat dieser ideelle Wert eine große Auswirkung auf den Prozess der Nachfolge.
Gefühle sind weder negativ noch positiv, sondern von der individuellen Situation, vom Kontext abhängig. Zum Beispiel kann Angst positiv sein, wenn sie uns vor Gefahrsituationen bewahrt. Andere Gefühle hemmen oder stoppen uns, wenn wir nicht erkennen und entsprechend gezielt einsetzen.
Selbst Euphorie und Freude kann uns die Sicht auf die Realität versperren. Emotionsmanagement kann man überall einsetzen, ob bei der Führung von Unternehmen, bei dem Verhandeln und Netzwerken, beim Schreiben eines Buches, überall treten Emotionen auf, die durch gezieltes Steuern zielführend eingesetzt werden können.
Wen braucht man alles als Netzwerk bei einer Übernahme? Und wie lange dauert so ein Prozess?
Wolf Wilder: Wichtig sind Berater auf der rationalen Seite und Begleiter auf der emotionalen Ebene, jemand der kritische Fragen stellt, Dinge hinterfragt und vor allem emphatische Menschen, denen man vertraut und zutraut, dass sie einem dem eigenen Ziel, Wunsch näherbringen.
Jede Übernahme und damit auch Nachfolge ist ein individueller Prozess kann von drei Monaten bis drei Jahren dauern. Mit Beratern kann man diesen Prozess beschleunigen.
Du hast selbst dein Unternehmen vinos.de verkauft – was war gut, was hättest du anders gemacht?
Wolf Wilder: Wichtig für uns war, dass der Standort Berlin als Unternehmenssitz erhalten bleibt, die Mitarbeiter somit weiterhin in ihrer Stadt arbeiten können. Arbeitsplatzsicherung wie man so schön sagt. Ebenso, das unser Geschäftsmodell verstanden wurde und weitergeführt wird. Daher die Entscheidung für einen strategischen Partner.
In der Übergabephase hätte ich aus heutiger Sicht, mit heutiger Erfahrungen einen externen Begleiter bzw. Coach geholt, um gezielt die Übergabe zu gestalten, immer in Zusammenarbeit mit der gesamten Geschäftsführung und den neuen Eigentümern. Besonders um gegenseitige Erwartungen abzuklären.
Innovation / Neustart – alles umkrempeln oder erstmal lassen? Wie schnell kann/darf man den Laden auf den Kopf stellen?
Wolf Wilder: Pauschal schwierig zu sagen. Es gibt hier keine Patentrezepte, da es vor allem auch von den Menschen abhängt. Wie war der vorherige Führungsstil und wie ist die Unternehmenskultur? Wie ausgebildet sind die Mitarbeitenden, wie flexibel können sie mit Veränderungen umgehen und sind es aus der Vergangenheit gewohnt.
Mein persönlicher Tipp: Ich würde mir ein Jahr die Firma genau anschauen und zunächst nichts verändern und dann mit den Leistungsträgern beginnen, Schritt für Schritt Veränderungen einzuleiten.
Zu lange sollte man auch nicht warten, abhängig von den Veränderungen, die dringend sein müssen um sich am Markt weiterhin erfolgreich zu positionieren.
Was ist dein nächstes Projekt?
Wolf Wilder: Aktuell baue ich ein Netzwerk auf Mallorca auf, wo sich www.unternehmer-unter-sich.de (so nenne ich das Tischgespräch), im persönlichen und privatem Rahmen mit uns als Unternehmerpaar austauschen können. Interessante Kontakte entstehen oft erst durch das gezielte Zusammenbringen von Gleichgesinnten mit ähnlichen Interessen. In dem Projekt steht der Unternehmer im Fokus, um im Urlaubsmodus über Businessthemen, Inselweine und die Liebe zu Mallorca informell auszutauschen. Es ist kein Businessmodell, sondern wird von uns aus Leidenschaft zum Thema Unternehmertum gemacht.
Ebenso leidenschaftlich und gemeinnützig war für mich das Erstellen des Handbuches mit Euch. Danke an die Gründerküche, an euch alle, dass ich hier mitwirken durfte.
Vielen Dank Dir für die Zusammenarbeit!
Nachfolge statt Neugründung | Das Gründerküche Handbuch
ZUR PERSON WOLF WILDER
Als Inhaber von www.nachfolgebegleiter.com berät und unterstützt Wolf Wilder (ehemaliger Gründer von www.vinos.de) Unternehmer rund um das Thema Gründung durch Nachfolge und damit eng verbunden auch zur Unternehmensnachfolge. Auf die eigenen Erfahrungen aufbauend und mit tiefgehendem Verständnis für die emotional anspruchsvolle Situation der Gründer führt und begleitet er auch zukünftige Unternehmer Schritt für Schritt durch den emotionalen Gründungsprozess. Zusammen mit seinem Team aus Coaches und Trainer erarbeitet er einen individuellen, auf den Gründer zugeschnittenen Prozessfahrplan mit dem Ziel, das gefundene Unternehmen erfolgreich zu übernehmen und fortzuführen.