Bootstrapping von Social Startups – unschlagbar in der Anwendung und so funktioniert es
Seien wir ehrlich: die Erfolgsaussichten eines Social Startups sind gering, zuviele Variablen haben einen Einfluss auf den nachhaltigen Erfolg. Wie jedes Startup, suchen auch Social Startups das geeignete Geschäftsmodell. Bootstrapping ist in vielen Fällen der einzige Weg zum Proof-Of-Concept. Wie das funktioniert, erklärt dieser Fachartikel.
Seien wir ehrlich: die Erfolgsaussichten eines Social Startups sind gering. Zuviele Variablen haben einen Einfluss auf den nachhaltigen Erfolg eines Startups. Welche das genau sind, ist anfangs meistens unklar. Wie jedes Startup, suchen auch Social Startups das geeignete Geschäftsmodell.
No solution, no money!
Glaubt man, den richtigen Problem/Solution-Fit gefunden zu haben, zeigt der Proof-of-Concept (POC), ob das Startup in der Lage ist,
- die „richtige“ Lösung,
- dauerhaft und
- in einer erforderlichen Qualität anbieten zu können.
Soweit die Theorie. Tatsächlich verschwenden viele Startups ihre wertvolle Zeit mit der Jagd nach Kapital für die Erstellung des POC. Aufgrund des hohen Risikos gilt early stage (pre-seed und seed) zurecht als die schwierigste Phase, um Funding einzusammeln. Einerseits ist die Investitionsneigung in dieser Phase sehr gering, andererseits ist die Herauslage von Unternehmensanteilen für Gründer besonders teuer, da Kapitalgeber aufgrund des hohen Risikos vergleichsweise viele Anteile für relativ wenig Kapitaleinsatz verlangen.
Bootstrapping ist also in den meisten Fällen der einzige Weg zum Proof-Of-Concept.
Bootstrapping – für welche Geschäftsmodelle lohnt sich das?
Kreativität beginnt, wenn man die letzte Null von der erhofften Funding-Summe streicht.
Für die meisten Social Startup Geschäftsmodelle passt Bootstrapping besonders gut, wenn das Lösungsangebot
- einen eher niedrigen technischen Innovationsgrad vorweist,
- eher eine Dienstleistung statt Produkt,
- eine nicht komplexe Fertigung bedarf und
- eine Vorfinanzierung des Produkts nicht notwendig bzw. eher gering ist.
Bootstrapping ist prädestiniert für die early stage-Phase. In dieser kritischen Phase geht es darum, das Problemfeld zu durchdringen, Felderfahrungen zu sammeln, die betroffenen Nutzer in ihrer Lebenssituation besser kennenzulernen, um dann eine passende Lösung zu entwickeln.
Bootstrapping hat neben der monetären eine vielleicht noch wichtigere psychologische Komponente. Kann das Social Startup zeigen, dass es mit wenigen Mitteln auskommen kann, um die Ziele zu erreichen, wird es die Moral des Teams deutlich stärken. Es ist praktizierte Selbstwirksamkeit. Nicht zuletzt ist dies ja auch ein wichtiges Ziel im Social Entrepreneurship, nämlich sich oder andere in die Lage zu versetzen, die Probleme geschickt und nachhaltig zu lösen ohne durch die Lösung entmündigt zu werden.
Wirksame Bootstrapping-Instrumente
Für ein erfolgreiches Bootstrapping gibt es keine immer funktionierende Geheimformel, sondern vielmehr ein Arsenal an Instrumenten.
Entrepreneurial Roadmap: Klarheit der Ziele und Konsequenz der Umsetzung
Um einer Verzettelung vorzubeugen, ist es erforderlich, dass das Social Startup eine „Entrepreneurial Roadmap“ bis zum POC erstellt. Hier werden alle Meilensteine festgelegt, die in einem bestimmten Zeitraum erreicht werden sollen. Es ist ebenso wichtig, vermeintlich klare Meilensteine kritisch zu hinterfragen – „Dient es wirklich dem POC?“. Verzettelung entsteht immer dann, wenn die Ziele nicht überzeugend genug sind. Wesentliche POC-Aktivitäten sollten sich beschränken auf „testen, messen, anpassen und von vorne beginnen bis es klappt“.
Dienstleistungen auslagern: Fixkosten in variable Kosten umwandeln
Am Anfang vermeidet man idealerweise jegliche Fixkosten. Erreicht wird dies, indem bestimmte Dienstleistungen ausgelagert werden und in variable Kosten umgewandelt werden. Man braucht bspw. kein Büro mit einem langfristigen Mietvertrag, sondern arbeitet von zu Hause oder in einem Coworking-Space mit monatlich kündbaren Verträgen. Nicht immer, allerdings öfter als man glaubt, kann man auch eine erfolgsabhängige Bezahlung bzw. spätere Bezahlung für typische Dienstleistungen in der early stage-Phase verhandeln, z.B. SEO-Kampagnen, Erstellung einer Website, Kosten eines Unternehmensberaters.
Mind bombs – die Kraft der Botschaft nutzen
Social Startups sind in einer guten Position. Aufgrund ihrer Mission, ein gesellschaftlich-relevantes Problem innovativ zu lösen, ist die Story der Lösung oftmals für die Öffentlichkeit interessant. Welche Botschaften trägt das Geschäftskonzept in sich und wie können diese Botschaften positioniert werden? PR ist immer günstiger und überzeugender als Werbung.
Die Mission des Startups kann auch helfen, ehrenamtliche Unterstützer zu finden. Sei es in Form von aktiven Unterstützern, die beim Aufbau des Social Startups helfen, sei es in Form von pro bono – Dienstleistungen, wie Steuerberater, Anwälte, Programmierer, Grafiker etc.
Erspartes und Love money
Ein Teil des Bootstrapping ist es auch, dass die Arbeitsleistungen der Gründer anfangs unentlohnt bleiben. Manchmal bringen die Gründer ihr Erspartes ein oder arbeiten in Teilzeit. Andere können auf ‚love money’ von Familie und Freunden zurückgreifen. ‚Love money’ ist nicht unproblematisch. Aufgrund des hohen Ausfallrisikos empfiehlt es sich, einige Spielregeln festzulegen, bspw. der explizite Hinweis auf das hohe Risiko und wie die Parteien mit einem Totalverlust umgehen wollen. Das klingt vielleicht formalistisch und gerade in der Familie und unter Freunden steht Vertrauen an erster Stelle. Dennoch, einige schriftlich festgelegte Regelungen beugen etwaigen Unstimmigkeiten im Ausfall des Startups vor.
Lean Finance – Geld in preußisch-schottischer Manier ausgeben
Wer in der glücklichen Lage ist, Einkünfte im early stage zu erwirtschaften, ist gut beraten, diese Gelder direkt in die POC-Entwicklung zu stecken. Hierunter fallen Preisgelder, Stipendien, Fördermittel und natürlich auch die ersten Umsätze des Startups.
Social Startups, die bereits einige Kunden und erste Umsätze haben, können darüber hinaus Zahlungsziele für einen kurzfristigen Cash Flow einsetzen. Hierbei wird versucht, die eigenen Zahlungsziele an Dritte zu verlängern und gleichzeitig die Zahlungsziele an eigene Kunden zu verkürzen. Diese Methode eignet sich auch, wenn das Startup ihre Produkte vorfinanzieren muss. Das Spiel mit Zahlungszielen bedarf allerdings verantwortungsvoller Umsicht.
Fazit – Bootstrapping ist unschlagbar und cool
„Impact first“ ist das Motto des Social Entrepreneurship. „POC first“ ist das Mantra des Bootstrapping – schnell und kostengünstig. Gerade eine no / low budget-Strategie zwingt das Team, sich nur auf Aktivitäten zu fokussieren, die der POC-Entwicklung dienen. Wer den POC besitzt, der darf ein Level aufsteigen auf dem Weg zu einem nachhaltig soliden Startup. Nicht zu unterschätzen ist auch der beschriebene Selbstwirksamkeits-Effekt auf den Spirit des Teams.
Statt sich also der Illusion des early stage-Kapitals hinzugeben, nutzen erfolgreiche Social Startups das Arsenal des Bootstrappings. Mit einem POC bestehen gute Chancen auf eine Finanzierung des Wachstums durch Investoren. Ganz im Sinne von Archimedes, der einst sagte: „Gib mir einen stabilen Punkt (POC) und ich hebe die Welt aus den Angeln (Skalierung).“ Auch wenn er den Hebel-Effekt im Kopf hatte, können wir das Zitat leicht auf den Bootstrapping-Hebel übertragen.