Coronakrise Mehrwertsteuersenkung 2020: Das müssen Unternehmer jetzt tun

Die Mehrwertsteuersenkung 2020 ist beschlossen. Doch was bedeutet sie für Unternehmer und Startups? Worauf müsst ihr jetzt achten?

Die Regierungskoalition sich auf ein neues Konjunkturpaket geeinigt. Insgesamt sollen Maßnahmen mit einem Gesamtvolumen von 130 Milliarden Euro umgesetzt werden um die Folgen der Corona-Krise abzumildern. 20 Milliarden Euro entfallen allein auf die geplante Mehrwertsteuersenkung.

Fakten: Neue Umsatzsteuersätze 16% und 5%

Diese Fakten stehen bisher fest.

Ab wann gelten die neuen Umsatzsteuersätze?

Die Mehrwertsteuersenkung ist zeitlich begrenzt auf den Zeitraum vom 1. Juli 2020 bis 31. Dezember 2020.

Wie verändern sich die Umsatzsteuersätze?

Der Regelsteuersatz soll vom 01.07.2020 bis zum 31.12.2020 von derzeit 19% auf 16% gesenkt werden. Der ermäßigte Umsatzsteuersatz soll im gleichen Zeitraum von 7% auf 5% gesenkt werden.

Wer profitiert von den neuen Umsatzsteuersätzen?

Der Idee nach sollen von der Mehrwertsteuersenkung Privatleute und Unternehmer gleichermaßen profitieren. Die Bundesregierung erhofft sich, dass Unternehmen die geminderte Mehrwertsteuer an Privatkunden weitergeben, indem sie ihre Preise senken. Das Kalkül: Niedrigere Preise bedeuten größere Kauflust der Verbraucher und damit höhere Umsätze und Unternehmensgewinnen. Und schon sind die Unternehmen von den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise gerettet.

Wann gilt welcher Umsatzsteuersatz?

Grundsätzlich unterscheidet das Umsatzsteuergesetz (UStG) zwischen Lieferungen und sonstigen Leistungen. Der Zeitpunkt der Ausführung einer Lieferung oder Leistung ist maßgeblich für die Anwendung des Steuersatzes und die Entstehung der Umsatzsteuer. Dieser Grundsatz wird weiter gelten.

Lieferungen: Lieferungen sind grundsätzlich dann ausgeführt, wenn der Empfänger die Verfügungsmacht über den zu liefernden Gegenstand erlangt. Bei Versand des Gegenstands ist die Lieferung mit Beginn der Beförderung oder Versendung ausgeführt. (Abschn. 13.1 Abs. 2 UStAE)

Sonstige Leistungen: Sonstige Leistungen sind grundsätzlich im Zeitpunkt ihrer Vollendung ausgeführt. Bei zeitlich begrenzten Dauerleistungen ist die Leistung mit Beendigung des Leistungsabschnitts ausgeführt, wenn keine Teilleistungen vorliegen (Abschn. 13.1 Abs. 3 UStAE).

Innergemeinschaftliche Erwerbe: Bei einem innergemeinschaftlichen Erwerb entsteht die Umsatzsteuer mit Ausstellung der Rechnung, spätestens jedoch mit Ablauf des dem Erwerb folgenden Kalendermonats (§ 13 Abs. 1 Nr. 6 UStG).

Die aktuelle Entwicklung der Mehrwertsteuersenkung 2020 und die Konsequenzen für die Buchhaltung hat BuchhaltungsButler hier für euch zusammengefasst.

Schritt 1: Entscheidung über euer Preismodell

Vor allem anderen müsst ihr euch entscheiden, ob ihr diesen Schritt tatsächlich wie geplant mitgehen wollt.

Ihr gebt die Steuersenkung vollständig an eure Kunden weiter

Gebt ihr die Steuersenkung vollständig weiter, werden eure Produkte oder Leistungen für eure Kunden preiswerter. Sie sollten mehr und öfter kaufen. Für euch als Unternehmer ändert sich bei Gewinn und Liquidität nur dann etwas, wenn eure Kunden tatsächlich im zweiten Halbjahr mehr kaufen.

Ihr gebt die Steuersenkung nicht an eure Kunden weiter

Behaltet ihr die Steuersenkung ein und lasst die Preise stabil, könnt ihr auch bei gleichen Verkaufszahlen und Preisen mehr verdienen. Dieser Gewinn ist auch dann höher als bei der weitergegebenen Preissenkung, wenn ihr nicht mehr Umsatz macht als vorher.

Ihr gebt die Steuersenkung teilweise an eure Kunden weiter

Ihr könnt auch nur einen Teil der Steuersenkung an eure Kunden weitergeben. Auch dann noch sind die Gewinne höher als in dem Falle, dass ihr die Preissenkung durchführt.

Sonderfall: Ihr müsst die Preissenkung weitergeben

Bei Dauerschuldverhältnissen arbeitet ihr mit festen Preisen, etwa bei Telefon- oder Energieverträgen. In der Regel habt ihr hier festgelegte Nettopreise, auf die die Mehrwertsteuer aufgeschlagen wird. Dann sind es ab Juli 16 % statt 19 %. Hier müssen sich die Preise verbilligen.

Pro & Contra Preise an die neuen Umsatzsteuersätze anpassen

PROCONTRA
Kunden zahlen weniger, also konsumieren sie mehr. Das steigert euren Umsatz.Preise stabil halten, darauf weniger MwSt. bezahlen bedeutet sofort mehr Gewinn.
Eure Konkurrenz könnte euch Kunden rauben, wenn sie plötzlich preiswerter ist als ihr.Ihr müsst alle Geschäftsunterlagen (Rechnungsvorlagen, Bons, Preisschilder etc.) an neue Preise anpassen.
Marketingeffekt, wenn ihr die Preissenkung an eure Kunden kommuniziert.Nach dem Ende der Gültigkeit (bisher 31.12.2020) müsst ihr euren Kunden die Preiserhöhung kommunizieren.
Merkwürdige „unrunde“ Endpreise durch die Steuersenkung.
Verkäufe werden nur vorgezogen und fehlen dann im 1. Halbjahr 2021.
Wenn Lieferantenpreise nicht sinken, habt ihr höhere Kosten.

Sonderfall: Mehrwertsteuer für Kleinunternehmer

Seid ihr als Kleinunternehmer nach §19 UStG unterwegs, müsst ihr keine Umsatzsteuer auf euren Rechnungen ausweisen und auch nicht ans Finanzamt abführen. Dann ist diese Diskussion für euch komplett hinfällig. Mehr dazu: Kleinunternehmerregelung: Von Kleinunternehmerrechnung (+ Muster als pdf!) bis zur Steuererklärung für Kleinunternehmer

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Schritt 2: Stellt eure Buchhaltung um

Egal ob ihr mit einer Buchhaltungssoftware, Kassensystem oder sonst wie eure Buchhaltung führt… ihr müsst das System umstellen. Alle Anbieter von Buchhaltungssystemen wie Kassensystemen sollten das für euch tun. Wenn nicht, solltet ihr unbedingt darauf drängen.

Denkt an alle Bereiche, wo die Mehrwertsteuer vorkommt:

  • Mehrwertsteuer auf Ausgangsrechnungen anpassen
  • Mehrwertsteuer für Produkte und Leistungen anpassen
  • Mehrwertsteuer für wiederkehrende Rechnungen anpassen
  • Mehrwertsteuer auf Eingangsrechnungen prüfen
  • Mehrwertsteuer bei der Umsatzsteuervoranmeldung

Schritt 3: Kommuniziert eure Preisentscheidung

Egal, ob ihr die geringere Mehrwertsteuer an eure Kunden weitergebt oder nicht – ihr solltet dies auf jeden Fall euren Kunden kommunizieren.

Ihr solltet eine schlüssige Argumentation haben, falls ihr eure Preise trotz geringerer MwSt. so belasst… Warum gebt ihr den Preisvorteil nicht weiter?

Falls ihr eure Preise anpasst, denkt daran, die neuen Preise überall auch klarzustellen:

  • auf eurer Website,
  • in eurem Onlineshop,
  • in allen Werbemitteln wie Flyer,
  • Preisaushänge in eurem Geschäft,
  • Anzeigen und Angebotsschreiben.

Vergesst auch nicht, an Kooperationspartner oder Weiterverkäufer die Informationen weiterzugeben.

Mehrwertsteuersenkung: Sonderfälle

Wie jede so gravierende Änderung im Steuerrecht ist auch die nun geplante Steuersenkung nicht ohne Komplikationen.

Sonderfall Anzahlungen & Vorauszahlungen

Anzahlungen und Vorauszahlungen müssen durch die Senkung der Mehrwertsteuer besonders beachtet werden. Auch bei Anzahlungen ist der Zeitpunkt der Lieferung oder Leistung maßgeblich für die Entstehung der Steuer und somit für den anzuwendenden Steuersatz.

Wenn eine Anzahlung erhalten wurde und der gültige Steuersatz bei Leistungserbringung von dem zum Zeitpunkt der Anzahlung abweicht, muss die Umsatzsteuer nachgezahlt oder zurückgefordert werden.

Dies passiert in der Regel mit der Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Zeitraum, in dem die Leistung oder Lieferung stattgefunden hat. Es muss also keine Korrektur für den Anmeldezeitraum der Anzahlung erfolgen.

Konkret heisst das: Habt ihr eine Leistung mit 19% MwSt. vor dem 1. Juli bezahlt aber die Leistung wird erst nach diesem Stichtag erbracht, müsst ihr eine neue Rechnung mit dann 16% MwSt. anfordern.

Sonderfall Umtausch & Retouren

Wird ein vor dem 01.07.2020 gelieferter Gegenstand nach dem Stichtag umgetauscht, ist auf die Lieferung des Ersatzgegenstands die Umsatzsteuer in Höhe von 16% oder 5% anzuwenden.

Erstattungen für Retouren unterliegen ab dem 1. Juli nicht austomatisch dem neuen Steuersatz (16 oder 5%). Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Lieferung.

Neue Gastro-Regel: Restaurations- und Verpflegungsservices

Arbeitet ihr als Unternehmer mit Restaurations- oder Verpflegungsservices, unterliegt eure Leistungen ab dem 01.07.2020 einem ermäßigten Steuersatz von 5%. Ab dem 01.01.2021 unterliegt sie dem regulären ermäßigten Steuersatz von 7% und ab dem 01.07.2021 gilt für euch wieder der Regelsteuersatz in Höhe von 19%.

Jahresboni & Co.

Jahresrückvergütungen, Jahresboni & Co. müsst ihr dem Steuersatz zurechnen, der in dem Zeitraum galt, in dem ihr den Umsatz erhalten habt.
Tipp: Für jahresübergreifende Vergütungen könnt ihr die Entgeltsminderung im Verhältnis der steuerpflichtigen Umsätze der einzelnen Jahreszeiträume aufteilen.

Dauerleistungen, Jahreskarten, Abonnements

Weniger problematisch sind Abonnements oder Jahreskarten. Die Umsatzsteuer entsteht hier, sobald die Leistung abgeschlossen ist. Dies ist am Ende des jeweiligen Leistungszeitraums der Fall. Auch wenn die Umsatzsteuer mit einem anderen Steuersatz bereits abgeführt wurde, da sie bereits bei Zahlungseingang zum Start des Leistungszeitraums fällig wurde.

Handelt es sich um Leistungen, die über einen längeren Zeitraum laufen (zum Beispiel ein Jahr), muss geprüft werden, ob es sich um Teilleistungen oder einheitliche Leistungen handelt.

Teilleistungen lassen sich als eigenständig wertvoll abgrenzen. Hierzu zählen zum Beispiel Leasingverträge oder 10er-Karten.
Es gilt: Für Teilleistungen, die vor dem 01.07.2020 oder nach dem 31.12.2020 ausgeführt sind, entsteht Umsatzsteuer mit dem „alten Steuersatz“ 19% oder 7%.

Für Teilleistungen, die zwischen dem 01.07.2020 und dem 31.12.2020 ausgeführt werden, entsteht die Umsatzsteuer mit den gesenkten Steuersätzen von 16% oder 5%.

Es müssen die jeweiligen Zeiträume entsprechend der Teilleistungen abgegrenzt werden und Abrechnungen wie Verträge oder Dauerrechnungen müssen korrigiert werden.

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