„Keine Angst, einfach anfangen!“| Gründungsexperte Dr. Jan Evers erklärt einfache Tools für den perfekten Businessplan

Dass Gründer vor dem Businessplan Respekt haben, ist nicht ungewöhnlich, sondern eine ziemlich gute Sache. Denn auf die leichte Schulter sollte man das wichtigste Dokument bei einer Gründung nicht nehmen. Angst davor muss aber niemand haben, erklärt Dr. Jan Evers. Der Gründungsexperte und Fachmann für digitale Förderstrategien findet, dass das Unternehmerleben zu schön ist, um es zu verpassen und hat deshalb zusammen mit dem BMWi und der KfW-Bank ein Tool entwickelt, mit dem Businesspläne ziemlich schnell und ziemlich gut geschrieben werden können. Man muss nur anfangen, rät er im Interview mit Gründerküche und erklärt, warum man einen kühlen Kopf braucht und nicht zu verliebt sein darf.

Gründerküche: Viele Gründer haben einen gehörigen Respekt vor dem Businessplan: Allein der Begriff klingt so wichtig und groß. Wie kann man Ihnen die Angst nehmen?

Dr. Jan Evers: Man kann dem Businessplan mit Respekt begegnen, aber muss keine Angst davor haben und sollte einfach anfangen! Die Gründerplattform liefert die Tools, die es einfacher machen, sich über bestimmte Themen Gedanken zu machen, Zahlen und Worte zusammenzubringen und am Ende einen Businessplan zu schreiben – und zwar auf eine einfache, verständliche Art. Deswegen gibt es hier viele Beispiele, Leitfragen und Tutorials. Machmal rufen abends Leute an, die am nächsten Tag ein Bankgespräch haben: Die haben ihren Businessplan eigentlich schon im Kopf, und die Gründerplattform holt ihn dann raus. Und wenn man glaubt, es nicht gut genug zu machen, kann man immer eine Beratung anzufordern. Wir haben aktuell 147 Partner – Kammern, Wirtschaftsförderer, Banken – in der Plattform zum Thema Businessplan frei geschaltet, deren Fachexperten kostenlos Feedback geben. Auf Knopfdruck.

Gründerküche: Wer sollte den Businessplan schreiben? Kann man die Aufgabe nicht gleich an die externen Berater auslagern?

Evers: Auf keinen Fall. Den Businessplan muss man immer selbst schreiben und darf sich nicht auf einen Berater verlassen. Das war ja auch der Irrweg der deutschen Gründungsförderung: Weil Förderer Businesspläne brauchen, haben Förderer Gründern Geld gegeben, damit sie Berater buchen konnten, die dann die Businesspläne schreiben. Das war ein ziemlich selbstreferenzielles, fast perverses System mit bis zu 90 Prozent Förderquote. Diesen Fehler haben wir mit unserem Tool repariert, weil jeder damit kostenlos und unterstützt arbeiten kann. Gerne auch Gründer zusammen mit ihrem Berater.

 

Gründerküche: Hand aufs Herz: Wird ein Businessplan wirklich gelesen oder reichen auch ein paar Schlüsselzahlen, und der Rest ist dann Deko?

Evers: Er wird wirklich gelesen. Vor allem Banken, die lange im Gründungsgeschäft sind, wollen sich ein Bild machen von den Gründenden. Sie wollen wissen: Was will die Person? Was kann die Person? Wieviel Erfahrung hat die Person? Und natürlich wollen Banken wissen, wieviel Risiko in dem Geschäftsmodell der Gründung steckt.

 

Wichtig beim Businessplan ist: Es muss alles zusammenpassen!

Gründerküche: Zahlen reichen nicht aus: Man sollte den Businessplan also von vorne bis hinten durchdenken …

Evers: Unbedingt. Ich erlebte früher häufig, dass der Zahlenteil nicht zum Textteil passte. Viele Menschen schreiben gerne lange Texte und versuchen dann, Zahlen in den Businessplan zu „bugsieren“. Andersherum geht es genauso: Manchen Menschen lieben Zahlen und müssen sich dann einen Textteil dazu ausdenken. Es ist einfach oft so, dass Story und Zahlen einfach nicht zueinanderpassen.

Gründerküche: Das klingt, als würde die rechte Hand nicht wissen, was die linke schreibt …

Evers: Genau. Was wir brauchten, war ein gutes Businessplantool, das beide Seiten immer zusammen darstellt. Aus dieser Erkenntnis entstand die Gründerplattform: Mit einer integrierten Softwarelösung, kriegt man die Grafiken aus der Zahlenwelt mit einem Klick in den Text und kann den Businessplan dadurch ohne großen Aufwand permanent weiterentwickeln. Wenn man also eine Zahl ändert, ändert sich das gesamte Dokument. Dadurch wird der Businessplan konsistent und spricht an allen Stellen dieselbe Sprache. Wichtig beim Businessplan ist: Es muss alles zusammenpassen! Dazu gehört zum Beispiel auch, dass das Profil der Gründerperson zur Geschäftsidee passt.

Gründerküche: Wie meinen Sie das?

Evers: Banken haben gute Erfahrungen damit gemacht, wenn die Gründerperson das Geschäft kennt. Sie finanzieren gerne Vorhaben, bei denen eine Angestellte das Businessmodell kennengelernt hat und sagt: Das gründe ich jetzt noch mal neu oder kaufe es meinem Chef über eine Nachfolgeregelung ab. Bei Quereinsteigern sind Banken eher vorsichtig: Wer im Businessplan nicht vorweisen kann, sich in der Branche auszukennen, landet gleich in einer höheren Risikostufe. Wenn die Person dann noch höhe Entnahmen von Anfang an plant, wird es eng.

 

Wir lassen das, was sich im Startup-Bereich an neuer Gründungspraxis bewährt hat, in unser Businessplan-Tool einfließen.

Gründerküche: Aus Bankensicht macht das durchaus Sinn …

Evers: Ja, finde ich auch. An anderer Stelle wird es natürlich kniffelig: Bleiben wir im engeren Sinne bei der Startup-Definition, also schnell wachsenden Unternehmen mit eher disruptiven Geschäftsmodellen: Da kommen häufig Branchenfremde und sagen „Ich sehe eine große Ineffizienz und ich weiß, wie ich das ändern kann.“ Das fällt Banken schwer zu glauben. Ich finde das sogar rational: Es ist zu viel Risiko drin, um damit die Gelder von Sparern einzusetzen.

Gründerküche: Dabei scheinen Startup-Techniken auch für eher klassische Gründer interessant, wenn es darum geht, eine Geschäftsidee zu entwickeln und einen Businessplan zu formulieren.

Evers: Wir lassen das, was sich im Startup-Bereich an neuer Gründungspraxis bewährt hat, in unser Businessplan-Tool einfließen: Teste die Dinge über ein MVP (Minimum viable product, d.Red.), sprich früh genug mit potenziellen Kunden, baue ein sich stärkendes Team, setze auf digitale Technologien. Und denke über dein Geschäftsmodell nach! Was im Startup-Bereich gang und gäbe ist, wollen wir auch im breiten Markt der weniger risikoreichen Gründungen anwendbar und hoffähig zu machen. Das ist unsere Mission, schließlich sind die klassischen Gründer die Kernzielgruppe der Gründerplattform.

 

Gründerküche: Man hört immer, dass die Zahl der Gründungen zurückgeht …

Evers: Die Angst vor der Selbstständigkeit, bei uns leider immer noch ein Problem, ist völlig unbegründet: Das ist nämlich etwas, das man lernen kann. Man muss nur die richtige Geschäftsidee für sich selbst finden, und darf sich nicht auf die Rezepte anderer Leute verlassen. Aus einem Angestelltenverhältnis in die Selbstständigkeit zu wechseln, ist in der Tat ein großer Sprung. Nicht umsonst aber ist jede zweite Gründung in Deutschland seit Jahren schon eine nebenberufliche Gründung. Man behält seinen Job, arbeitet aber in Teilzeit und nutzt den Rest der Zeit, um aus einem sicheren Hafen heraus etwas Neues zu starten.

Gründerküche: Alles beginnt mit einer Geschäftsidee: Wie sollte man sie im Businessplan sauber formulieren?

Evers: Man sollte unbedingt von den eigenen Ressource und dem Nutzen für den Kunden her anfangen. Das haben wir auch in unserem Tool „Geschäftsidee“ implementiert. Zunächst sollte man sich fragen: Wie passt die Idee zu mir als Person und welche Ressourcen habe ich persönlich? Dann denkt man vom Kunden aus weiter und fragt: Welchen Nutzen schaffe ich? Erst zum Schluss geht es um das konkrete Angebot.

 

Bei Gründungen sollte man mit kühlem Kopf immer wieder die eigenen Thesen überprüfen.

Gründerküche: Und wie geht es dann weiter?

Evers: Jeder Gründer sollte sich die Arbeit machen und gründlich über sein Geschäftsmodell nachdenken, bevor er anfängt, einen Businessplan zu schreiben. Wer gründet, sollte genau wissen, was man genau wie die Wettbewerber macht und wo man etwas anders und besser machen will: etwa weil man eine andere Qualifikation hat oder einen anderen Standort. Das geht mit dem Tool „Geschäftsmodell entwickeln“ sehr strukturiert.

Gründerküche: Wenn man das alles erledigt hat: Wo fängt man beim Businessplan an?

Evers: Man fängt damit an, den Nutzen zu beschreiben, den man schaffen will, dann beschreibt man die eigene Person und die eigenen Stärken, dann die Kunden und dann das Angebot. In der Reihenfolge.

Gründerküche: Welches sind die wichtigsten Punkte im Businessplan?

Evers: Das ist vom Adressaten abhängig. Die Arbeitsagentur schaut vor allem, ob die Gründungsperson erstmal genug Minus macht, um den Zuschuss zu rechtfertigen, aber schnell genug aus dem Minus kommt, um auf eigenen Füßen zu stehen und aus der Statistik zu fallen. Ein Business Angel wiederum achtet auf ganz andere Dinge. Dem geht es um coole, starke Ideen und darum, ob das richtige Team dahinter steht.

Gründerküche: Welche Fehler im Busineaapln gibt es, die Sie immer wieder sehen – und die man vermeiden könnte?

Evers: Ein großer Fehler ist, zu verliebt in seine Geschäftsidee zu sein. Das ist wie bei einer neuen Liebe: Am Anfang drückt man alle leisen Zweifel und Vorbehalte im Überschwang beiseite. Jahre später zerlegen sie einem dann die Beziehung. So ist es auch bei Gründungen: Deswegen sollte man mit kühlem Kopf immer wieder die eigenen Thesen überprüfen. Und zwar nicht im Bekanntenkreis, wo man meist auf höfliche Zustimmung trifft, sondern in der Zielgruppe und bei anderen Leuten. Was man dabei lernt, sollte in den Businessplan mit einfließen.

 

Man muss den Mut haben, Entscheidungen zu treffen, gerade weil man in der Planung mit Unbekannten arbeitet.

Gründerküche: Man sollte also offen eingestehen, dass man auch mal Fehler macht, aus denen man aber die richtigen Schlüsse zieht?

Evers: Genau. Das größte Risiko für Geldgeber ist, dass man zu fixiert auf eine Idee ist und dann feststellt, dass der Markt gar nicht da ist. Dann ist plötzlich das ganze Geld weg. Der zweite Fehler, der psychologisch mit dem ersten zusammenhängt: Man rechnet sich den Zahlenteil wider besseren Wissens schön. Das führt dann gleich zum dritten großen Fehler, der typisch für Leute ist, die schon jahrelang berufstätig sind und ein gutes Gehalt haben: Man gibt sich nicht die Zeit, Dinge ausprobieren zu können. Das klappt nämlich am besten, wenn man die persönliche Entnahme gering hält und den eigenen Lebensstandard für ein, zwei drei Jahre runterschraubt. Das fällt einem Studenten einfacher, als jemandem mit Familie, der schon 60.000 oder 70.000 Euro Jahresgehalt hatte. Diese Leute schreiben dann ähnliche Summe in den Businessplan – und scheitern daran.

 

Gründerküche: Der Finanzplan, die Umsatzprognose, die Rentabilität – ist das nicht alles ein Blick in die Glaskugel?

Evers: Natürlich ist Planung immer Arbeit mit Unbekannten: Aber nur ein Blick in die Glaskugel wäre definitiv zu wenig. Man sollte schon ein paar Dinge ausprobiert haben und Preise gecheckt haben, in einem Prozess der Validierung sein. Mit Expertengesprächen und Test kann man sich plausiblen Zahlen nähern. Und man muss den Mut haben, Entscheidungen zu treffen, gerade weil man in der Planung mit Unbekannten arbeitet.

Gründerküche: Soll man dabei eher konservativ rechnen oder so richtig klotzen?

Evers: VCs, vor allem mit angelsächsischem Hintergrund stehen eher auf bullische Annahmen. Die wollen Optimismus, ein gelebtes „Think big“ – aber bitte mit Empirie unterlegt. Banken mögen es eher, konservativ zu rechnen, mit wenig Eigenentnahme und einem langsamen Hochfahren der Planzahlen.

 

Das Unternehmerleben ist zu schön um es zu verpassen.

Gründerküche: Wie berechne ich meinen Unternehmenswert, wenn ich noch relativ am Anfang stehe?

Evers: Das ist ein komplexes Thema. Die Antwort ist ein großes: Es kommt darauf an. Gerade bei Startups hängt es davon ab, wie „heiß“ Investoren auf das Geschäftsmodell sind: Da kommt es dann weniger auf den wirklichen Unternehmenswert an, als auf eine geschickte Verhandlungstaktik.

Gründerküche: Es gibt unzählige Förderungen und Fördermittel – für viele Gründer ist das alles undurchsichtig und schwer zu beantragen: Was sind die wichtigsten Förderungen für Gründer, die man sich unbedingt anschauen sollte?

Evers: Deutschland ist in der Tat ein Förderdschungel. Unser Anspruch ist es, darin Orientierung zu geben. Deswegen kann man sich auf der Gründerplattform per Mausklick anzeigen lassen, welche Förderungen man wahrscheinlich bekommt. Wir machen sozusagen ein Matching – gleichen die Fördervoraussetzung mit den Kennzahlen und dem Businessplan der Gründer ab. Also nicht irre machen lassen. Und auf keinen Fall nicht gründen, aus Angst Förderung zu verpassen. Das Unternehmerleben ist zu schön um es zu verpassen.

 

Zur Person: Dr. Jan Evers

 

© Nele Martensen / ZVG

 

Dr. Jan Evers ist Betriebswirt und MA European Business Administration. Er startete 1994 als Wissenschaftler und Bereichsleiter für Social Banking, promovierte in Bankbetriebswirtschaft und gründete 2002 die Firmenhilfe, 2003 das European Microfinance Network (EMN) und 2013 SmartBusinessPlan.
Dr. Jan Evers ist Inhaber der Beratungsgesellschaft evers & jung in Hamburg, die für Ministerien, Banken und Wirtschaftsförderer Konzepte und Lösungen entwickelt, die Unternehmern das Gründen und die Selbstständigkeit erleichtern. Seit mehr als zehn Jahren berät Evers neben der Leitungsebene von Banken und Ministerien auch wachstumsstarke Gründer und Mittelständler – teilweise als Aufsichtsrat, Business Angel oder Miteigentümer.
An der Gründerplatttform arbeiten Evers und sein Team mit dem Bundesminsterium für Wirtschaft und Energie, der KfW-Bank und dem Berliner Software-Startup Individee zusammen.

 

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