Unternehmen kaufen statt neu gründen – diese Gründe sprechen für eine Unternehmensnachfolge

Der Aufbau eines neuen Unternehmens ist oft kostspielig, braucht viel Zeit und ist mit vielen Risiken verbunden. Wer seine Selbstständigkeit plant, sollte deshalb über eine Unternehmensnachfolge nachdenken… die Pro und Contra Argumente findet ihr hier.

Die Aussichten, ein Unternehmen zu übernehmen, stehen besser denn je. Für den Zeitraum 2022 bis 2026 kommt eine aktuelle Studie des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn zu dem Ergebnis, dass bundesweit bei etwa 190.000 Unternehmen eine Unternehmensnachfolge zu erwarten ist. Mit fast 40.000 Unternehmen stehen die meisten Nachfolgen in Nordrhein-Westfalen an, gefolgt von Bayern mit fast 35.000 und Baden-Württemberg mit mehr als 27.000. Die Branchen, die davon am meisten betroffen sein könnten, sind unternehmensbezogenen Dienstleistungen, gefolgt vom produzierenden Gewerbe und dem Handel.

Doch was spricht für euch als Gründer dafür, ein Unternehmen eher zu kaufen, als es von grundauf neu zu gründen? Eine Pro- und Contra-Liste für eure Entscheidungsfindung:

Vorteile einer Unternehmensnachfolge

Was spricht für den Kauf eines Unternehmens, statt es selbst zu gründen? Die wichtigsten Pros der Unternehmensnachfolge findet ihr hier.

einfachere Finanzierung:

Banken scheuen das Risiko und bewerten bestehende und erfahrene Geschäftsmodelle in der Regel positiver.

bewährte Unternehmensstrukturen:

Ihr müsst Strukturen und Arbeitsabläufen nicht erst entwickeln sondern könnt sie übernehmen (und verbessern).

vorhandenes Personal:

Nicht ist wichtiger als ein motiviertes Team. Mit der Übernahme bekommt ihr zumindest einen etablierten Personalstamm und müsst nicht erst aufwendig suchen.

bestehender Kundenstamm:

Einer der wichtigsten Vorteile bei der Unternehmensnachfolge, ihr startet nicht bei Null sondern habt schon (Bestands)Kunden.

im Markt erprobte Produkte:

Nicht erst langes Ausprobieren und Erforschen, eure Produkte sind bereits präsent, sie haben eine Geschichte und es gibt Erfahrungen beim Verkauf, Marketing etc.

erfolgte Zulassungen, Genehmigungen, evtll. Patente:

Viele Regelungen, Zulassungsverpflichtungen usw können euch bei einem neuen Produkt ausbremsen. Ausser den personenbezogenen Genehmigungen (zB Gesundheitsausweis) übernehmt ihr hier ebenfalls.

sofort nicht nur Ausgaben sondern auch Einnahmen:

Gründer brauchen Startkapital (auch beim Unternehmenskauf) – aber bevor bei einer Neugründung Einnahmen fließen, kann es lange dauern. Bei der Übernahme kommt (hoffentlich) sofort Geld rein.

Klarzahlen und genaue Perspektiven:

Bei der Übernahme müssen genaue Unternehmenszahlen auf den Tisch. Aus Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen ergibt sich der Unternehmenswert aber damit auch für euch die Wirtschaftlichkeit und Perspektive. Den tatsächliche Wert des Unternehmens könnt ihr zum Beispiel mit einem Unternehmenswertrechner im Internet bestimmen.

Infrastruktur vorhanden:

Zweckentsprechende Werkstatträume, ein komplettes Betriebsinventar, Fahrzeuge usw – die materiellen Werte eines Unternehmens sind zwar meist überbewertet. Aber sie sind bereits vorhanden – und das spart euch mindestens Zeit, sie anzuschaffen.

bestehende Marke:

Ihr übernehmt auch Bekanntheitsgrad, Ruf und Image des Betriebes, das ist zwar häufig verbesserungswürdig aber immerhin startet ihr auch hier nicht bei Null beim Aufbau einer Marke.

kalkulierbares Investment:

Als Gründer versucht ihr mit dem Businessplan in die Zukunft zu schauen, schätzt den Investitionsbedarf ab, recherchiert dazu Markt und Kosten – und habt doch nur eine ungefähre Prognose. Die Investition beim Unternehmenskauf ist ein fest kalkulierbarer Kaufpreis.

Schritt für Schritt:

Eine der größten Herausforderungen beim Gründen ist das Alles und Sofort – es gibt einfach so viele Dinge, die erledigt sein müssen, bevor es so richtig los geht. Und viel Raum für Fehler gibt es nicht. Bei der Unternehmensübernahme könnt ihr stufenweise vorgehen und mit dem Gründer ein deutlich langsameres Hereinwachsen vereinbaren.

Lehrmeister vorhanden:

Auch wenn die Emanzipation vom Unternehmensgründer ein wichtiger Schritt bei der Nachfolge ist… anders als bei der Neugründung kann euch hier jemand mit Erfahrung in genau diesem Betrieb zur Seite stehen. Dieser Expertenrat ist etwas besonderes.

Nachteile einer Unternehmensnachfolge

Natürlich ist nicht alles Gold was glänzt und auch der Kauf eines Unternehmens ist mit Risiken und Herausforderungen verbunden. Die solltet ihr kennen, um richtig entscheiden zu können.

hohes Erstinvestment:

Ganz klar, während ihr als Neugründer eure Gründung auch davon abhängig machen könnt, welches Budget ihr zur Verfügung habt, also auch ganz klein und im Nebenberuf gründen könnt, geht es bei der Unternehmensnachfolge gleich in die Vollen. Schließlich kauft ihr etwas, was schon fertig ist.

Mitarbeiterstamm und Verpflichtungen:

Wie aus einem Vorteil ein Nachteil werden kann. Eigentlich ist es ja gut, nicht erst qualifizierte Mitarbeiter suchen und finden zu müssen. Doch bei der Übernahme bindet ihr euch auch jene Mitarbeiter ans Bein, die vielleicht gar nicht so qualifiziert und motiviert sind. Ihr übernehmt eine Historie von Frust und Problemen, die sehr viel schwerer wieder aufzulösen sind als von vornherein darauf zu achten, dass sie gar nicht erst entstehen. Und ihr „erbt“ auch die Verbindlichkeiten wie Gehaltsstrukturen, Betriebsrenten usw.

Modernisierungs- und Digitalisierungsstau:

Eines der typischsten Probleme bei der Unternehmensnachfolge. Der Altinhaber hat die letzten Jahre seiner Tätigkeit nicht mehr die Kraft aufgebracht, sein Unternehmen am Zeitgeist auszurichten, hat sich mit Social Media einfach nicht mehr anfreunden können oder die Einführung eines modernen ERP Systems versäumt. Die Wandlung alter Prozesse ist immer schwieriger als einfach neue aufsetzen. Aber darin besteht auch eure Chance.

Gründer als Führungspersönlichkeit:

Grundsätzlich müsst ihr als Gründer fähig sein, Geschäfte zu führen, Mitarbeiter zu führen. Aber doch nicht so schnell! In der Neugründung könnt ihr da mit eurem Betrieb wachsen. Bei der Übernahme seid ihr von Tag 1 voll gefragt. Deshalb: Lasst euch so lange wie möglich vom Altinhaber coachen.

Der Neue:

Auch das muss euch klar sein, ihr werdet von Mitarbeitenden, Kunden wie Partnern immer erstmal mit dem Altinhaber gemessen. Das kann nicht nur nerven, es ist unter Umständen sogar blockierend.

Differenzen mit ehemaligem Inhaber:

Ein typisches Problem bei familieninternen Nachfolgen, der Senior kann nicht loslassen und der Junior macht sowieso alles falsch. Aus diesem Grund ist es besonders wichtig, mit dem Altinhaber klare Regeln und Anwesenheiten abzusprechen. Denn im Zweifel hilft nur, wenn der Senior wirklich nicht mehr im Betrieb aufkreuzt.

veraltete Produkt- und Leistungspalette:

Auch das gibt es gar nicht so selten, der Markt hat sich verändert, das Unternehmen und seine Produkte aber nicht. Das ging für den Senior noch ganz gut, er hat sich an fallende Umsätze gewöhnt. Aber ihr seht in die Zukunft und die Kurve geht irgendwann gegen Null. Deshalb: Besonders wenn dauerhaft die Zahlen fallen und ihr das in der Unternehmensprüfung schon erkennt, bewertet das Unternehmen entsprechend richtig und entwickelt eine neue, marktgerechte Strategie.

Haftung für betriebsbedingte Steuern und Gewährleistungsansprüche:

Ganz wichtig und im Nachfolgeprozess sehr detailiert zu erfragen… gibt es Altschulden, Verbindlichkeiten beim Finanzamt oder erwartbare Rückzahlungsforderungen, etwa aufgrund von Förderprogrammen etc.

 

Wie bei allen „Nachteilen“ kann man das Problem als Ausschlusskriterium verstehen oder als Herausforderung. Bei der Entscheidung, ob für euch eine Nachfolge oder besser eine Neugründung in Frage kommt, solltet ihr die verschiedenen Risiken und möglichen Problemfelder erfragen und recherchieren und euch dann ehrlich fragen, wo ihr bessere Chancen seht.

Übrigens: In unserer Nachfolge Roadmap zeigen wir euch, wie ihr ein Unternehmen kauft. Die 10 Schritte bis zur Firmenübernahme – von der Planung über K.O.-Kriterien (wichtig!), Unternehmen finden & auswählen, Kaufwert bestimmen bis hin zum Vertrag.

 

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