Es zeigt sich, wo der persönliche Kontakt unersetzbar ist – Titus Lindl über Gründen in der Corona-Krise
Wer gewinnt, wer verliert im Gründerökosystem Chemnitz durch die Corona-Krise. Wir haben wichtige Köpfe der Chemnitzer Gründerszene befragt.
Der Shutdown und die Corona-Krise haben etablierte Unternehmen ins Wanken gebracht – ganze Branchen stehen vor dem Bankrott. Es bestehen aber auch Chancen, die sich aus der Digitalisierung der Arbeitsprozesse ergeben haben, so Dr. Mario Geissler in unserem Interview. Doch wie geht es den Chemnitzer Startups – wer ist von den wirtschaftlichen Folgen betroffen, wer ist gut durchgekommen, was muss dringend passieren? Gründerküche hat sich mit fünf der wichtigen Playern des Gründerökosystems Chemnitz unterhalten und ihre Perspektive auf die aktuelle Situation eingefangen. Hier könnt ihr die Antworten von Maik Kästner von der IHK Chemnitz lesen.
Heute beantwortet Titus Lindl unsere Fragen zum Gründerökosystem Chemnitz. Titus ist Gründer der Unternehmensberatung WEGVISOR, Business Angel und leidenschaftlicher Breakdancer.
Wie haben Sie das Gründerökosystem seit der Corona-Zeit persönlich erlebt?
Sehr agil und anpassungsfähig, was das Thema Arbeitsweisen und Organisation angeht. Die meisten Startups hatten kein Problem, auf digitale Meetings und Homeoffice umzustellen. Was das Thema Umsatz und Finanzen angeht, so gibt es Startups, die sich vor Aufträgen nicht retten können und dann die, die von 100 auf 0 gehen mussten. Das ist sehr unterschiedlich, je nach Branche und Produkt.
Gibt es Gründungen, die aufgrund der Viruskrise und den Folgen ihre Pläne einstellen oder verschieben mussten?
Da sind mir einige bekannt. Eine Gründung betrifft mich auch ganz konkret selbst. Wir wollten schon viel schneller sein, konnten es aber aufgrund der Kontaktbeschränkungen nicht in der Form umsetzen.
Was sind die drängendsten Probleme der Gründer?
Es sind die klassischen Herausforderungen für Startups, nur jetzt in ausgeprägterer Form: Sicherung der Liquidität, Gewinnung von Kunden, die derzeit keinen Kopf für Neues haben, Erreichung ihrer im Businessplan definierten und mit den Investoren abgestimmten Meilensteine.
Gab es auch Branchen oder Gründungsideen, die aus der Krise erwachsen sind?
Natürlich gibt es auch Gewinner. Firmen aus dem SaaS Bereich können in so einer Situation sehr stark profitieren. Denn sie arbeiten ja erstens schon digital und zweitens lösen sie Digitalisierunsprobleme für ihre Kunden. Chemnitzer Startups wie Staffbase oder Amvisor profitieren von einer Krise wie dieser.
Sind die staatlichen Rettungspakete für Gründer ausreichend? Wo sehen Sie dringend Nachbesserungsbedarf?
Die Startups, die schon Kapital eingesammelt haben, sind versorgt. Einige Maßnahmen können sie für sich in Anspruch nehmen oder über ihre Kapitalgeber.
Anders sieht es für die Startups aus, die gerade Kapital suchen. Sie bekommen kaum staatliche Unterstützung. Der Prozess zur Kapitalakquise ist in so einer Phase besonders herausfordernd. Das wird in der aktuellen Situation natürlich nicht einfacher.
Vor allem Gründer, die Unternehmen aufbauen, die nicht für Business Angels oder Venture Capital geeignet sind, haben jetzt große Probleme. Denn sie fallen durch die bestehenden Rettungsprogramme.
Welche Chancen sehen Sie für das zweite Halbjahr 2020 für Gründer?
Die Chancen für Gründer sind gerade in Krisen besonders groß. Viele der heute großen Unternehmen wie AirBNB, Uber, Whatsapp, Instagram und viele andere wurden in der Krise vor 10 Jahren gegründet.
Wie hat die Zeit Ihre Arbeit geprägt – sind wichtige Formate und Angebote für Gründer derzeit überhaupt möglich?
Viele Formate sind derzeit in der Form nicht mehr möglich. Der Versuch, sie zu digitalisieren hat gezeigt, was sich digitalisieren lässt und wo der persönliche Kontakt unersetzbar ist.
Wie gut ist das Gründerökosystem Chemnitz für solche Krisen und ihre wirtschaftlichen Auswirkungen vorbereitet?
Wir sind ein junges Ökosystem. Die Places der Stadt haben eine sehr herausfordernde Zeit. Die staatlichen Akteure können das sehr gut abfedern, aber die privatwirtschaftlichen Spaces trifft es hart.
Zur Person: Titus Lindl
Titus Lindl ist im Chemnitzer Ökosystem als Gründer von Wegvisor, Serial Entrepreneur und Business Angels aktiv.