Momentum für Digitalisierung nutzen – Dr. Mario Geißler über Chemnitzer Gründer in der Corona-Krise
Wie schwer ist das Gründerökosystem in Chemnitz von der Corona-Krise gebeutelt? Gibt es Gewinner und Verlierer? Wir haben wichtige Köpfe der Chemnitzer Gründerszene befragt.
Etablierte Unternehmen stöhnen unter den Auswirkungen der Corona-Krise und dem zeitweiligen Shutdown – ganze Branchen stehen vor dem Bankrott. Andere können vom neuen Trend Home-Office und Coworking in digitaler Form profitieren. Doch wie geht es den Chemnitzer Startups – wer ist von den wirtschaftlichen Folgen betroffen, wer ist gut durchgekommen, was muss dringend passieren? Gründerküche hat sich mit fünf der wichtigen Playern des Gründerökosystems Chemnitz unterhalten und ihre Perspektive auf die aktuelle Situation eingefangen.
Den Anfang macht Dr. Mario Geißler, Professor Marketing und Handelsbetriebslehre an der TU Chemnitz (in Vertretung) und Geschäftsführer des Q-Hub Chemnitz.
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Wie haben Sie das Gründerökosystem seit der Corona-Zeit persönlich erlebt?
Für mich war das eine Mischung aus angespannter Chancensuche, Neuorientierung und Abwarten. Besonders die neue Zusammenarbeit mit etablierten Unternehmen ist erst einmal pausiert worden. Wichtig: Nicht aufgrund fehlender Motivation, sondern aufgrund von Pandemie- und Krisenplänen und eigenen Budgetrestriktionen.
Gibt es Gründungen, die aufgrund der Viruskrise und den Folgen ihre Pläne einstellen oder verschieben mussten?
Ja. Startups, die international tätig sind, mussten pausieren und kurzfristig andere Partner suchen. Startups, die gerade in der Finanzierungsrunde stecken, müssen etwas länger warten, um eine Entscheidung zu erhalten.
Was sind die drängendsten Probleme der Gründer?
Eindeutig Liquiditätssicherung und Planung. Aktuell müssen bestehende Pläne auf den Prüfstand. Gleichzeitig eröffnen sich zahlreiche neue Chancen.
Gab es auch Branchen oder Gründungsideen, die aus der Krise erwachsen sind?
Ja, vor allem digitale Geschäftsideen. Grundsätzlich zeigt sich aber auch die flexible Arbeitsweise als Vorteil. Startups, für die Homeoffice schon vor der Krise zum Tagesgeschäft gehörte, hatten weniger Probleme und damit auch kein Hemmnis bei der Produktivität während des Lockdowns.
Sind die staatlichen Rettungspakete für Gründer ausreichend? Wo sehen Sie dringend Nachbesserungsbedarf?
An der Stelle ein großes Lob an die Sächsische AufbauBank. Hier werden Anträge gerade sehr schnell abgearbeitet. Es wird sich auf Bundesebene zeigen, inwieweit der Staat mit dem geplanten Rettungsfonds in Umsetzung kommt.
Welche Chancen sehen Sie für das zweite Halbjahr 2020 für Gründer?
Ich hoffe auf einen weiteren Ruck bei der Digitalisierung und dass Unternehmen jetzt auch die Zeit nutzen, um aus Hauruck-Aktionen längerfristige Strategien zu entwickeln. Jetzt wird Digitalisierung und deren Vor- sowie Nachteile für jedermann erlebbar. Dieses Momentum gilt es zu nutzen.
Sind Startup-Events wie die Gründerwoche 2020 in Gefahr?
So wie wir sie kennen, wird es die Gründerwoche dieses Jahr wohl nicht geben. Aber: Wir haben viele verschiedene digitale Formate in der Vergangenheit ausprobiert und werden auf jeden Fall ein Format anbieten. Dazu kommt: Jetzt arbeitet man natürlich immer mit einem Plan B.
Wie gut ist das Gründerökosystem Chemnitz für solche Krisen und ihre wirtschaftlichen Auswirkungen vorbereitet?
Grundsätzlich ist das regionale Ökosystem noch jung und in der Wachstumsphase. Staatliche Institutionen haben keine Herausforderung bei der Finanzierung. Private Initiativen müssen ihr Geschäftsmodell ebenso wie die Gründer auf den Prüfstand stellen und die Chancen in der Krise suchen.
Für den Q-HUB kann ich sagen, dass unsere Unterstützer aus der Wirtschaft auch in der Krise bei uns geblieben sind und sich sogar die ein oder andere zusätzliche Kooperation ergeben hat, um gemeinsam Chancen zu nutzen.
Zur Person: Dr. Mario Geißler
Dr. Mario Geißler ist Professor Marketing und Handelsbetriebslehre an der TU Chemnitz (in Vertretung) und Geschäftsführer des Q-Hub Chemnitz. Das Chemnitzer Zentrum für Startups und Geschäftsmodellinnovation betreut junge Gründer und etablierte Unternehmen auf dem Weg zur Digitalisierung und neuen Geschäftsmodellen. Der HUB bietet Coworking Arbeitsplätze und inspirierende Workshopräume, veranstaltet regelmässig Gründer-Events und bringt etablierte Unternehmen und Startups zusammen.