Nachhaltig wirtschaften – Frauke Fischer im Interview über grüne Chancen für Existenzgründer

Beinahe alle großen Konzerne veröffentlichen jedes Jahr ihre Aktivitäten zu Umweltschutz, Fairtrade oder Ressoucenschonung – besonders lang und bunt sind diese Berichte bei denen, die besonders stark natürliche Ressourcen nutzen. Doch gerade Existenzgründer haben ihnen gegenüber einen großen Vorteil: Sie können ihr Geschäft von Anfang an nachhaltig gestalten. Wie, berichtet die Biologin und Unternehmensberaterin Frauke Fischer im Interview.

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Moderne Unternehmen haben verstanden, dass Nachhaltigkeit ein zentrales Thema ist, um langfristig gute Geschäfte zu machen und dabei nicht verbrannte Erde, verpesstete Luft oder schmutziges Wasser zu hinterlassen. Doch nachhaltig wirtschaften heisst nicht nur Umweltschutz sondern verbindet drei wichtige Säulen: Das Unternehmen agiert ökologisch, sozial und trotz dieser Standards wirtschaftlich. Wie das funktioniert und wie Existenzgründer hier schon frühzeitig punkten können, erklärt uns Frauke Fischer, Biologin und Unternehmensberaterin der Agentur Auf! im Interview.

Frau Fischer, wenn sich ein Unternehmen nachhaltig nennt, was bedeutet das eigentlich genau?

In der Praxis vermutlich leider nicht sehr viel. Tatsächlich meint Nachhaltigkeit ja, dass ein Unternehmen umweltbezogene, wirtschaftliche und sozialen Ziele miteinander verbindet. Man spricht da auch von dem Drei-Säulen-Modell.


Das heißt: Ich produziere möglichst ohne die Umwelt zu schädigen, ohne Ausbeutung meiner Mitarbeiter oder auch der allgemeinen Gemeinschaft und das ganze rechnet sich für mich auch noch.

Und, rechnet sich sowas denn?

Auf jeden Fall. Vielleicht nicht, wenn ich mir die Bilanz in einem Jahr anschaue. Doch spätestens, wenn ich alle Folgekosten meiner Umweltnutzung dazurechne, wenn ich meine Personalaufwendung mal langfristig überdenke oder wenn ich dazu rechne, was mich eine Imagekampagne kostet, um mich als „grünes Unternehmen“ zu präsentieren – dann rechnet sich eine frühzeitige nachhaltige Ausrichtung allemal.

Ihre These: Existenzgründer haben es hier leichter. Warum?

Sie sind frei von Balast – also nutzen Sie diese Freiheit. Das ist meine Botschaft. Existenzgründer, die heute ein Business starten, müssen nicht in mühsamer Arbeit ihre laufenden Geschäfte auf einen ökologischen Rohstofflieferanten umstellen. Sie müssen auch gar nicht erst ein Produkt entwickeln, dass nur mit Aluminium funktioniert. Der Rohstoff ist teuer und vor allem extrem umweltschädlich in seiner Herstellung.


Wenn Sie gründen, dann machen Sie es gleich richtig. Nutzen Sie alternative, nachwachsende Rohstoffe.

Kalkulieren Sie gleich ein, Ihren Strom von einem echten Ökostromanbieter zu beziehen oder ihn wenn möglich selbst zu produzieren. Prüfen Sie Ihre Handelskette oder Ihre Zulieferkette, noch bevor Sie mit dem Geschäft starten. In der Anfangsphase ist das „nur“ der Rechercheaufwand.

Ein neues Geschäft aufzubauen, ist schon viel Anstrengung. Was sollte Ihrer Meinung nach Existenzgründer zu diesem zusätzlichen Aufwand motivieren?

Erstens bin ich der Überzeugung, dass man darum gar nicht herum kommt: Die Zeiten sind absehbar, dass die Nutzung der natürlichen Ressourcen – also die Ökonomie der Ökosysteme – zukünftig adäquat bezahlt werden muss.


Sauberes Wasser wird nicht so billig bleiben, wie es ist. Strom wird jetzt schon teurer, verschmutzen Sie die Luft, dann müssen Sie dafür jetzt auch schon zahlen.

Zweitens ist eine nachhaltige Strategie ein Mehrwert Ihres Unternehmens, dass Ihnen Vorteile vor jenen verschafft, die zwar länger am Markt sind, aber diese Faktoren bisher nicht bedacht haben. Und drittens lebt es sich einfach ruhiger, wenn man ohne Ausbeutung von Mensch und Natur Geschäfte macht.

Mal ehrlich, interessiert sich denn für diese Themen doch nicht nur eine Minderheit, die so genannten LOHAS – der breiten Masse ist das doch egal?

Nein, man sieht es doch an dem Verkauf von Lebensmitteln: Die LOHAS haben da vielleicht ein Thema angeschoben, aber der Markt für regional, saisonal und ökologisch produziertes Essen wächst kontinuierlich. Die Masse zieht nach. Und so wird es auch in allen anderen Industrien sein. Eine Befragung der Forschergruppe am Fachgebiet „Arbeitslehre/Ökonomie und Nachhaltiger Konsum“ der Technischen Universität Berlin hat gerade gezeigt: Je stärker sich ein Unternehmen in Nachhaltigkeit engagiert, umso höher sind Zufriedenheit, Commitment und die Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Zur Person Frauke Fischer:

© Privat

Dr. Frauke Fischer ist promovierte Biologin und lehrt an der Universität Würzburg. Sie ist eingeladenes Mitglied der IUCN Species Survival Commission und der World Commission on Protected Areas sowie Fachgutachterin des Businessberichts der UN Studie „The Economics of Ecosystems and Biodiversity“. Außerdem berät sie Unternehmen zu Biodiversität, Klimaschutz und Nachhaltigkeit mit ihrer Agentur AUF!.

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