„Wir verstehen uns als Business-Club“ – Udo Schloemer, CEO und Gründer der Factory Berlin über Organic Acceleration, Coworking in Berlin und die Digitalisierung der deutschen Wirtschaft
Factory, eines der ganz großen Coworking Spaces in Berlin, definiert sein Konzept neu. Wir haben uns im Factory Headquarter umgeschaut und mit Udo Schloemer, CEO und Gründer der Factory Berlin, über die Neuausrichtung, organic acceleration und den Businessclub Factory Berlin unterhalten.

Gerade entwickeln sich das geteilte Büro und die Zusammenarbeit über Startup-Grenzen hinweg noch in den Mittel- und Kleinstädten, da wird aus Coworking schon wieder mehr als nur ein gemeinsam genutzter Büroraum: Factory, eines der ganz großen Coworking Spaces in Berlin, definiert das Konzept neu. Wir haben uns im Factory Headquarter umgeschaut und mit Udo Schloemer, CEO und Gründer der Factory Berlin, über die Neuausrichtung unterhalten.
Gründerküche: Seit wann gibt es die Factory und wie seid Ihr gestartet?
Udo Schloemer: Die Factory Berlin wurde im Jahr 2011 gegründet. Wir wollten einen physischen Ort als Heimat für junge Technologiefirmen schaffen. Damit war die Idee für die Factory – Deutschlands ersten Startup-Campus – geboren. Mit der historischen Oswald-Brauerei, direkt am ehemaligen Mauerstreifen in Berlin Mitte, fanden wir das perfekte Objekt für unser Vorhaben, das wir ab 2012 sanierten, umbauten und um zwei Stockwerke auf eine Bürofläche von insgesamt über 12.000 Quadratmetern erweiterten. Nach zwei Jahren Bauzeit konnten wir im Sommer 2014 den Campus offiziell eröffnen und mit Firmen wie SoundCloud, Twitter und später auch Uber bei uns als Mieter begrüßen.
Gründerküche: Was ist das Besondere an Eurem Raum- und Arbeitskonzept? Welche Bedürfnisse von Startups stellt Ihr dabei in den Mittelpunkt?
Udo Schloemer: Für uns stehen Vernetzung und Flexibilität – und nicht das Arbeiten, im Sinne von klassischem „Co-Working“ – im Vordergrund. Bei uns gibt es kein anonymes Nebeneinander, sondern ein aktiv gestaltetes Miteinander. Die Möglichkeit für den gegenseitigen Austausch spiegelt sich auch in unserem Raumkonzept wieder. Neben flexiblen Arbeitsplätzen bieten wir unseren Mitgliedern dafür ausreichend Fläche – dazu zahlreiche Events in unterschiedlichen Größen und Formaten.
Gründerküche: Das war also von Anfang an nicht nur eine Bürogemeinschaft. Was steckt hinter Eurem Konzept?
Udo Schloemer: Die Factory Berlin verfolgt das Ziel, die deutsche und die europäische Wirtschaft zu digitalisieren. Startups und etablierte Unternehmen erhalten über eine offizielle Mitgliedschaft Zugang zu einer einzigartigen Innovations-Community und -Kultur. Damit schafft die Factory ein Netzwerk, das die wichtigsten Akteure aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft zusammenbringt, um gemeinsam die digitale Transformation zu beschleunigen. Ihre Mitglieder sind fester Bestandteil des kreativen, digitalen Ökosystems in Berlin. Innerhalb dieser Gemeinschaft fördert, begleitet und moderiert die Factory als Mittler zwischen Old und New Economy den Austausch von Konzernen und Mittelstand mit Startups. Durch diese Zusammenarbeit sollen Geschäftsmodelle etablierter Unternehmen digitalisiert bzw. transformiert werden.
Gründerküche: Trotzdem habt Ihr Euer Konzept angepasst. Was hat sich geändert? Und warum war das nötig?
Udo Schloemer: Wir haben uns weiterentwickelt und uns ein neues Ziel gesetzt: Wir bieten mehr als „nur“ Co-Working. Wir verstehen uns als Business-Club, dessen Aufgabe es ist, Akteure aus Konzernen und Unternehmen mit Startups zusammenzubringen, um voneinander zu lernen, sich auszutauschen und zu vernetzen. Mit dem Factory Membership-Modell schaffen wir seit Mai diesen Jahres eine physische und digitale Plattform der Vernetzung und Zusammenarbeit.
Gründerküche: Wie funktioniert das Member-System? Und wie sind die Preise?
Udo Schloemer: Für eine Mitgliedschaft können sich Interessierte unter www.factoryberlin.com bewerben. Für einen monatlichen Beitrag von 50 Euro erhalten Gründer, Selbstständige und Freelancer Zugang zum Factory-Netzwerk, zudem stehen ihnen Arbeitsplätze und Meeting-Räume im Factory Campus in Berlin Mitte zur Verfügung. Die Mitglieder haben die Möglichkeit, an den regelmäßig stattfindenden Veranstaltungen teilzunehmen, dazu gehören z. B. Fireside Chats, Coffee Talks und weitere innovative Eventformate von und für Community Mitglieder oder Kooperationspartner.
Für etablierte mittelständische Unternehmen und Konzerne bietet die Factory Berlin ebenfalls Zugang zu ihrem Business-Club. Ab einem Mitgliedsbeitrag von 120.000 Euro im Jahr unterstützt sie Corporates bei der Transformation ihrer Geschäftsmodelle und vernetzt sie weltweit mit den Vordenkern des digitalen Wandels.
Gründerküche: Steckt dahinter auch das Bedürfnis nach Exklusivität – Member eines angesagten Clubs zu sein, ist ja eine für Deutsche neue Mode?
Udo Schloemer: Ich denke, bei uns geht es weniger um Exklusivität, sondern vor allem um den Wunsch, sich mit gleichgesinnten Menschen zu verbinden, um Potenziale und Synergien zu nutzen und so gemeinsam Innovationen voran zu treiben.
Gründerküche: Was sind die Vorteile für Gründer und Startups, bei Euch zu sein?
Der größte Vorteil liegt sicherlich in der Vernetzung – sei es mit etablierten Größen der Gründerszene wie Soundcloud, Uber, Twitter und Pinterest oder mit Unternehmen aus der „Old Economy“, potenziellen Investoren, Partnern, Mitarbeitern, Kritikern, Konkurrenten oder Kunden.
Unsere Vision ist es, eine Plattform für alle Marktteilnehmer zu sein, die Potenziale und Chancen der Digitalisierung der deutschen Wirtschaft erkannt haben: ob als Freelancer, die in unserem Community Space an ihrem ersten Prototyp basteln, oder als Milliardenkonzern, der auf der Suche nach dem Geschäftsfeld von Morgen ist.
Gründerküche: Wie schafft man eine aktive (Startup-)Community und was bietet Ihr dafür? Was ist das Herzstück?
Udo Schloemer: Das Herzstück sind unsere Veranstaltungen. Ob beim „Meet & Pitch“ in kleinerer Runde Ideen vorstellen, bei einem Fireside Chat mit Mary Groove von Google for Entrepreneurs oder Uber CEO Travis Kalanick von den Großen der Szene lernen oder bei einem Hackathon gemeinsam neue Ideen entwickeln – bei unseren Events kommt die Berliner Startup Szene zusammen. Kreative treffen auf Programmierer, Gründer auf potenzielle Investoren, Unternehmesvertreter aus dem Mittelstand und Großkonzernen.
Gründerküche: In Eurem Wikipedia Artikel werdet Ihr mit einem Model der Business Acceleration in Verbindung gebracht – der „organic acceleration“. Was ist das, wie geht das und wem nützt es?
Udo Schloemer: Im Gegensatz zu klassischen Acceleratoren, die sehr aktiv mit Mentoren, Coaches, festen Programmen und Demo Days arbeiten, verfolgen wir den Ansatz, dass sich die Teams bei uns durch den Austausch miteinander und untereinander unterstützen. Statt von uns einen konkreten Experten vorgesetzt zu bekommen, können sich die Startups über unsere Community Manager selbst ihre Ansprechpartner suchen, um Probleme zu lösen und von den Erfolgen der “Großen” zu lernen. Dabei profitieren sowohl Early Stage Firmen als auch größere Firmen wie SoundCloud und Twitter, da beide Seiten viel voneinander lernen können – die einen Prozesse, Skalierung und Marketing, die anderen Innovationsfähigkeit, Risikofreude und Agilität.
Gründerküche: Soundcloud, Twitter, UBER, Google for Entrepreneurs – bei Euch arbeitet die große weite Welt. Was bedeutet das für junge Gründer und Freelancer?
Udo Schloemer: All diese Unternehmen sind Teil unserer Netzwerks. Gemeinsam mit ihnen schaffen wir Inhalte, beispielsweise in Form von gemeinsamen Veranstaltungen. Wir bringen junge Gründer und Freelancer mit diesen etablierten Firmen in Kontakt, so dass sie entsprechend vom Know-How, Struktur und Inhalten profitieren können und schaffen Möglichkeiten für den Austausch untereinander,
Gründerküche: Factory – spielt der Name irgendwie auf The Factory von Andy Warhol an?
Udo Schloemer: Ich bin großer Warhol-Fan und fand den Geist der New Yorker “Factory” sehr inspirierend. Wir wollen hier genauso einen Ort der Zusammenarbeit und Kollaboration schaffen, daher ist die Namensverwandschaft nicht ungewollt.
Gründerküche: Viel wird inzwischen über das Gründerökosystem gesprochen – also das Umfeld für Gründer. Wo seht Ihr Euch im Gründerökosystem Berlin und in den anderen Großstädten?
Udo Schloemer: Hier in Berlin, dem wichtigsten Innovationsstandort außerhalb des Silicon Valley, wollen wir Startups, Konzerne und Mittelstand zusammenbringen und gemeinsam die digitale Welt formen. Mit der Factory Berlin sind wir ein fester Bestandteil des Gründerökosystems der Stadt – und darüber hinaus. Unser Zeil ist es von Berlin aus die deutsche Wirtschaft zu digitalisieren.
Gründerküche: Wie schafft Ihr es, in dem Coworking-Angebot von Berlin nicht unterzugehen, also auch DER Hub oder Anziehungspunkt zu bleiben?
Udo Schloemer: Wir sehen die „klassischen“ Coworking-Angebote in Berlin nicht als direkte Konkurrenz. Mit unserem Modell heben wir uns deutlich ab. Denn wir bieten mehr als „nur“ Coworking. Wir verstehen uns als Business-Club, dessen Aufgabe es ist, Akteure aus Konzernen und Unternehmen mit Startups zusammenzubringen.
Gründerküche: Gib uns einen Ausblick – was ist Factory in zehn Jahren?
Udo Schloemer: Wir wollen das weltweit wichtigste Netzwerk für Innovationstreiber aus alter und neuer Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Medien werden, und unseren Beitrag leisten, dass die deutsche Wirtschaft auch im 21. Jahrhundert ihren Platz findet.
Zur Person Udo Schloemer
Udo Schloemer ist Gründer und CEO der Innovations-Community Factory – Betreiber des größten Startup-Campus in Deutschland. 1970 in Stuttgart-Bad Cannstatt geboren, begann der studierte Versicherungsfachwirt seine Unternehmerkarriere 1992 mit der Gründung der Schloemer & Partner GbR: Mit seinem Netzwerk aus Rechtsanwälten und Steuerberatern beriet Schloemer Kunden in ganz Deutschland in der Vermögensverwaltung und stieg ab 1996 durch die Übernahme von zwei Bauträgern in Leipzig in die Immobilienbranche ein. 1997 gründete Schloemer die Immobilien-Entwicklungsfirma „S+P Real Estate“, die sich insbesondere auf die Sanierung von denkmalgeschützten Gebäuden und Wohnobjekten konzentriert und ein Projektvolumen von mehr als 500 Millionen Euro umgesetzt hat. 1998 zog es Udo Schloemer nach Berlin, wo er von 2006-2008 Geschäftsführer von Lehman Brothers Deutschland war.Als einer der ersten Geldgeber für Startups in Berlin investierte er mit seiner Beteiligungsgesellschaft JMES seit 2007 in namhafte Startups wie u.a. 6wunderkinder, EyeEm und Monoqi. Im Jahr 2011 gründete der Warhol-Fan Schloemer die „Factory“ und konnte so seine beiden großen Leidenschaften – Immobilien und Startups – verbinden. Udo Schloemer lebt in Berlin, ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Über die Factory Berlin

Factory Berlin ist mehr als ein Coworking Space sondern versteht sich als ein Campus, in dem Startups auf große und etablierte High-Tech-Unternehmen treffen und beide zusammenarbeiten. Hier finden sich 6Wunderkinder, Soundcloud, Twitter, UBER und Zendesk sowie die Mozilla Foundation. Gestartet ist Factory Berlin mit einem klassischen Coworking Konzept: Büros und Arbeistplätze konnten tage-, wochen- oder auch monateweise angemietet werden. Seit 2016 verfolgt Factory Berlin ein neues Konzept: Gründer können Mitglied eines Businessclub werden und dann alle Angebote nutzen. Von den einzelnen Arbeitsplätzen über die Werkstatt bis zu den Events.
Mehr zur Factory Berlin erfahrt ihr hier.