„Frankfurt/Main kann auch Cleantech“ – Professor Dr. Hannes Utikal, Leiter des Zentrums für Industrie und Nachhaltigkeit an der Frankfurter Provadis Hochschule, über das grüne Innovation Lab Rhein-Main

Die Welt ein Stück weit verbessern und unternehmerischen Erfolg haben: Das ist das Ziel von Cleantech-Startup. Und das kann sehr gut funktionieren, wie Professor Dr. Hannes Utikal sagt. Im Gespräch mit Gründerküche erklärt der Wirtschaftswissenschaftler, der das strategische Netzwerk Climate-KIC Frankfurt/Hessen betreut, warum Cleantech-Unternehmen eine große Chance für Innovationen, Wohlstand und bessere Lebensqualität sind.

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Die Welt ein Stück weit verbessern und unternehmerischen Erfolg haben: Das ist das Ziel von Cleantech-Startup. Und das kann sehr gut funktionieren, wie Professor Dr. Hannes Utikal sagt. Der Wirtschaftswissenschaftler leitet an der Frankfurter Provadis Hochschule das Zentrum für Industrie und Nachhaltigkeit.

Utikal betreut den Climate-KIC Frankfurt/Hessen, ein am europäischen Innovations- und Technologieinstitut angesiedeltes strategisches Netzwerk, das an Lösungen für die aus dem Klimawandel ableitbaren Herausforderungen der Gesellschaft arbeitet. Neben technologischen Innovation sind dafür auch auch ökonomische und soziale Änderungen nötig. Im Gespräch mit Gründerküche erklärt Utikal, warum Cleantech-Unternehmen eine große Chance für Innovationen, Wohlstand und bessere Lebensqualität sind.

Gründerküche: Herr Professor Utikal, Beschreiben Sie bitte in drei Sätzen, was es mit Cleantech eigentlich auf sich hat?

Prof. Dr. Hannes Utikal: Cleantech ist ein Begriff für Produkte und Anwendungen, die eine geringe Umweltbelastung haben und gegenüber dem Status Quo z.B. den CO2-Ausstoß reduzieren. Hier finden sich Produkte aus den Bereichen Elektromobilität, Energieeffizienz, erneuerbare Energien oder auch Wassermanagement. Das können auch Apps sein, die den Energieverbrauch reduzieren, das können Maßnahmen sein, die die Wartung verbessern, das können alternative Energiequellen sein …

Gründerküche: Solarenergie-Lösungen werden auffällig oft genannt, wenn es um Cleantech geht: Ist das ein Kernbereich?

Prof. Dr. Hannes Utikal: Ja, die Nutzung der Solarenergie ist ein wichtiger Bereich. Wir haben gerade ein Startup mit dem Namen Mobile Solarkraftwerke Afrika gefördert, das, die Stromversorgung von kleinen Orten in Afrika ermöglicht. Ein spannendes Projekt, das wir gerne unterstützt haben.

Gründerküche: Wieso ist Cleantech wichtig?

Prof. Dr. Hannes Utikal: Die Geschichte ist einfach: Wir haben eine wachsende Weltbevölkerung mit einem Wunsch nach Wohlstand. Schon heute nutzen wir mehr Ressourcen als die Erde auf Dauer hergibt – wir benötigen also intelligente Produkte, die sowohl Wohlstand als auch Umweltschutz ermöglichen.

Gründerküche: Wenn wir mal salopp nachfragen dürfen: Glauben Sie, dass wir mit Cleantech die Welt retten können?

Prof. Dr. Hannes Utikal: Die Welt zu retten, ist ein hehres Ziel. Aber natürlich hat jeder Gründer die Verantwortung, nicht nur über seine ökonomischen Ziele nachzudenken, sondern auch darüber, welchen Umwelt-Fußabdruck und welchen sozialen Fußabdruck er mit seinem Produkt hinterlässt. Cleantech-Innovationen haben den Vorteil, dass sie neben der Profit-Orientierung auch etwas Gutes für die Umwelt tun. Ich finde es wirklich beeindruckend, dass ein Startup wie Mobile Solarkraftwerke für Afrika es schafft, mit einer innovativen Technologie ein ganzes Dorf mit Strom zu versorgen. Das ist ein toller Fortschritt.

Gründerküche: Welche erfolgreichen Start-ups im Bereich Cleantech sollte man unbedingt kennen?

Prof. Dr. Hannes Utikal: Es gibt eine ganze Reihe von erfolgversprechenden Startups. Denken Sie nur an Bettervest: eine Crowdinvesting-Plattform für Energieeffizienzprojekte. Das ist insofern interessant, weil damit die Massen mobilisiert werden können, um Innovationen zu realisieren. Das Unternehmen läuft sehr gut. Auch das finnische Startup Masar ist interessant. Masar stellt mobile Energieeinheiten zur Verfügung, bietet Solarstrom-Anlagen sowie intelligente Energiedienstleistungen. Dabei fokussiert es sich auf den Markt im Nahen Ost und Nordafrika.

Gründerküche: Findet man im Cleantech-Bereich dieselben Investoren, die Millionen in Tech-Startups pumpen?

Prof. Dr. Hannes Utikal: Das ist die Frage, ob es viele Idealisten unter den Investoren gibt, oder?

Gründerküche: Irgendwie schon. Klar wollen Investoren mit ihrem Geld Rendite erzielen. Aber sind sie auch idealistisch genug, um das bei Cleantech-Unternehmen zu machen?

Prof. Dr. Hannes Utikal: Natürlich gibt es die klassischen Investoren, die vor allem an einer ordentlichen Rendite interessiert sind. Was ein legitimes Ziel ist. Daneben gibt es aber auch immer mehr Investoren, die darauf achten, auch Nachhaltigkeitskriterien zu erfüllen. Und im Cleantech-Bereich gehen die Entwicklungen oft Hand in Hand – viele globale Entwicklungen erfordern innovative Technologien mit einem guten Umweltfußabdruck.

Gründerküche: Welche Messen und Events muss man als Cleantech-Gründer besuchen, um die Investoren zu treffen?

Prof. Dr. Hannes Utikal: Es gibt eine Vielzahl von Initiativen in diesem Bereich. Denken Sie an den Green Alley Award, den Next Economy Award, aber auch die vielen traditionellen Innovationspreise. Der Innovationspreis der deutschen Wirtschaft, der Step Award oder Science4Life berücksichtigen alle mittlerweile den Cleantech-Sektor. Im letzten Jahr waren „unsere Startups“ in Helsinki bei der Slush-Konferenz – und begeistert. Aber auch das Climate-KIC veranstaltet spannende Events, seien es der 24-h-Climathon, der weltweit organisiert wird, die europäische Venture Competition oder auch die nationalen Ausscheidungen. Das sind alles sehr gute Möglichkeiten, um sich zu vernetzen und potenzielle Investoren zu treffen.

Gründerküche: Weil Sie das Climate-KIC gerade erwähnten: Was hat es denn damit auf sich?

Prof. Dr. Hannes Utikal: Der damalige Präsident der Europäischen Kommission, José Manuel Barroso, hat das EIT – das European Institute of Technology – ins Leben gerufen: mit Sitz in Budapest und dem Ziel, europäische Innovationen zu befördern. Das EIT deckt verschiedene Bereiche ab: digitale Wirtschaft, Gesundheit, innovative Energien oder Klimaschutz. KIC heißt Knowledge & Innovation Community und bringt die Player aus den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung zusammen.

Gründerküche: Was ist die Idee dahinter?

Prof. Dr. Hannes Utikal: Der Grundansatz ist: Um dem Klimawandel begegnen zu können, benötigen wir eine grundlegende Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft. Wir benötigen nicht nur neue Technologien, sondern auch neue Verhaltensmuster. Denken Sie zum Beispiel an die Elektromobilität – es reicht nicht aus, nur eine neue Antriebstechnologie zu entwickeln, sondern wir benötigen neue Mobilitätssysteme, um z.B. in Großstädten Mobilität zu gewährleisten. Das Spektrum umfasst dann sowohl Elektrofahrzeuge als auch Ladestationen, einen besseren öffentlichen Nahverkehr und Car Sharing Systeme. Solche Systemveränderungen können am besten mit einem ganzheitlichen Ansatz in Angriff genommen werden: Es bringt hier dann viel mehr, wenn Akademiker, Unternehmer und Verwaltungsmenschen zusammenarbeiten, als wenn jeder nur in seinem Teilbereich optimiert.

Gründerküche: Gibt es Beispiele für diesen Ansatz?

Prof. Dr. Hannes Utikal: Ja. Das ist am Beispiel Urban Transition, der Veränderung von Städten, gut zu erklären: Wir haben in den letzten Jahren etwa Summer Schools für Doktoranden organisiert, die sich mit dem Thema grünen Transformation von Städten am Beispiel der Stadt Frankfurt beschäftigten. Da merkte man, wie spannend es ist, wenn interdisziplinäre Gruppen zusammenarbeiten und aus unterschiedlichen Perspektiven aber einem gemeinsamen Verständnis des Problems neue Lösungen erschlossen werden.

Gründerküche: Welche konkreten Maßnahmen führt der Climate-KIC außerdem durch?

Prof. Dr. Hannes Utikal: Das Climate-KIC will Innovationen im Umgang mit dem Klimawandel befördern. Es gibt konkrete Projekte zur Transformation von Städten, zur Förderung von nachhaltigen Wertschöpfungsketten sowie zur Entwicklung eines nachhaltigen Finanzsektors. In diesen Bereichen werden Startups gefördert, systemische Innovationen entwickelt und „Transformationskompetenzen vermittelt“. Auch die etablierten Unternehmen sind angesichts des Klimawandels herausgefordert: Wie entwickele ich nachhaltige Geschäftsmodelle? Wie agiere ich in Netzwerkstrukturen, um an den Veränderungsprozessen teilhaben zu können? Mit diesen Fragen ringen nicht nur die Startups, sondern auch die etablierten Unternehmen.

Gründerküche: Wie können Cleantech-Gründer von den Angeboten des Climate-KIC profitieren?

Prof. Dr. Hannes Utikal: Cleantech-Gründer können von den Sach- und Geldleistungen des Climate-KIC profitieren – bis zu 95.000 Euro pro Startup. Aber insbesondere haben sie Zugang zu einem extrem leistungsfähigen Netzwerk, das auch den Einstieg in den Weltmarkt beschleunigt. Es gibt grüne Garagen in Berlin und München, in Frankfurt haben wir die Kunden in der Industrie und die Investoren – es gibt Austausch mit Gründern aus ganz Europa. Im letzten Jahr haben wir gemeinsam mit Gründern aus Helsinki Boot Camps und Coaching Sessions gehabt. Die Teilnehmer sind begeistert.

Gründerküche: Warum ist die Provadis Hochschule Partner des Climate-KIC?

Prof. Dr. Hannes Utikal: Die Provadis-Hochschule hat ihren Sitz am Industriepark in Frankfurt Höchst. Hier wurde vor mehr als 150 Jahren das ehemals größte Chemieunternehmen der Welt gegründet. Heute arbeiten in einem modernen Cluster von Chemie- und Pharmaunternehmen mehr als 22.000 Personen. Wir kennen daher das Thema „Transformation“ und sind von dem Thema „Wandel“ fasziniert. Umweltfreundliche Technologien sind für uns ein zentrales Zukunftsfeld. Wir glauben daran, dass man ein wirksames Cleantech-Accelerator-Programm nur mit guten Netzwerken durchführen kann. Und dieses haben wir. Wir kooperieren hier in der Region mit der Goethe Universität, der TU Darmstadt und der Fraunhofer Gesellschaft. Und international sind das Imperial College oder die ETH Zürich Partner des Climate-KIC. Unser Vorteil ist, dass wir in der Region und in der Industrie gut vernetzt sind. Wenn bei uns Leute gecoacht werden, können sie mit realen Kunden sprechen und vor Ort ihre Lösungen testen. Sie bekommen ein Praxis-Feedback und erfahren, ob es für ihre Ideen auch einen echten Markt gibt. Ein ideales Innovation Lab.

Startups können sich für die aktuelle Ausschreibung des Climate-KIC Accelerator Frankfurt/Hessen Programmes noch bis zum 28. Februar unter bewerben. Mehr Infos gibt es hier.

Zur Person Prof. Dr. Hannes Utikal

Utikal, HannesBereits seit 2005 ist Prof. Dr. Hannes Utikal an der Provadis School of International Management and Technology tätig. Der ehemalige Dekan des Fachbereichs Business Administration ist seit 2008 Mitglied der Hochschulleitung und seit dem 1.1.2016 auch Leiter des dortigen Zentrums für Industrie und Nachhaltigkeit. Utikal arbeitet insbesondere an den Themen „Transformation der Industrie“ und „Nachhaltige Unternehmensführung“ und hat im Herbst 2015 die Leitung des Standortes Hessen im Climate-KIC übernommen.

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