Mompreneurs: Best Practice Mutter und Unternehmerin – so funktioniert das in der Praxis wirklich
Warum entscheiden sich immer mehr Mütter dafür, sich selbstständig zu machen? Und wie schaffen sie es, Familie und ein eigenes Business unter einen Hut zu bringen?
Laut dem Gründungsmonitor der KfW wird heutzutage knapp jedes zweite Unternehmen von einer Frau gegründet. Immer mehr Frauen machen sich selbstständig: Allein in Deutschland haben sich über 1,4 Mio. Frauen für die Selbstständigkeit entschieden – und viele davon haben Kinder.
Die meisten Mompreneurs („Mama-Unternehmerinnen“) schaffen den Sprung in die Selbstständigkeit nach der Geburt des ersten Kindes. In vielen Fällen ist die berufliche Auszeit, die sich die meisten Frauen nach der Geburt eines Kindes nehmen, der perfekte Zeitpunkt, um darüber nachzudenken, wie sie ihre Zukunft gestalten wollen und den Schritt zur Selbstständigkeit zu wagen. Dennoch gründet die Mehrheit der Frauen das eigene Unternehmen erst später, wenn die Kinder schon im Schulalter sind. Das Durchschnittsalter des ersten Kindes während der Unternehmensgründung liegt bei 6 Jahren.
Warum entscheiden sich immer mehr Mütter dafür, sich selbstständig zu machen? Und wie schaffen sie es, Familie und ein eigenes Business unter einen Hut zu bringen?
99designs, der weltweit größte Online-Marktplatz für Grafikdesign, hat über 500 Mama-Unternehmerinnen befragt, um einen Einblick in das Leben, die Herausforderungen und die Motivationen selbstständiger Mütter zu ermöglichen.
Motive für Mompreneure
Die Antwort ist simpel: Flexibilität. Laut der 99designs-Studie sind die meisten selbständigen Mütter trotz eigenen Unternehmens immer noch hauptsächlich für die Kinderbetreuung verantwortlich. Um Familie und Beruf zu vereinbaren, braucht man flexible Arbeitszeiten und die Möglichkeit, von zu Hause zu arbeiten. Für viele Mamas gibt es nach der Geburt des ersten Kindes nur noch zwei Alternativen: Entweder sie arbeiten Teilzeit beim alten Arbeitgeber mit wenig Verantwortung und wenigen Perspektiven und landen letztendlich auf dem sogenannten „Abstellgleis“, oder sie gehen ihren eigenen Weg und gründen ein eigenes Unternehmen.
Flexibilität ist letztendlich der größte Vorteil für alle Selbstständigen. Wenn man der eigene Chef ist, kann man selbst bestimmen, wann, wo und wie lange man arbeitet. Laut der oben genannten Studie arbeitet jede zweite Mama-Unternehmerin weniger als 8 Stunden pro Tag und die Mehrheit arbeitet noch eine abendliche „Extra-Schicht“ nachdem die Kinder ins Bett gegangen sind.
Gründerrat
In unserem Interview mit Stephanie Renda spricht die dreifache Mutter über den Mut von Gründerinnen.
Mompreneure verzichten auf ihre Freizeit
Ein eigenes Unternehmen kommt mit vielen Vorteilen, aber auch vielen Herausforderungen. Selbstständige Mütter arbeiten hart an ihrem eigenen Projekt und finden trotzdem noch die Zeit dafür, sich um ihre Familie zu kümmern, die Kinder zur Schule zu bringen, das Frühstück vorzubereiten.
Das schafft man leider nur, indem man auf etwas verzichtet, und das ist oft die Freizeit. Meist widmen selbstständige Mamas ihren eigenen Hobbys nur noch maximal 3-4 Stunden pro Woche. 67% der Mütter geben zu, dass sie weniger Sport machen, seitdem sie das eigene Unternehmen gegründet haben und 64% behaupten, weniger Zeit mit Freunden zu verbringen.
Das soll aber nicht heißen, dass man sich keine Zeit für sich selbst nehmen darf. Qualitativ hochwertige „Ich-Zeit“ ist wichtig und trägt dazu bei, ein ausgewogeneres und glücklicheres Leben zu führen.
Best Practice:
Val Racheeva, Gründerin von wefound.org, schafft das sogar jeden Tag, indem sie sich 5 bis 10 Minuten Zeit nimmt, um ruhig dazusitzen, ihre Gedanken zu ordnen und sich positiv aufzuladen – und das erst nachdem sie ihr Kind zum Kindergarten gebracht hat und bevor sie mit der Arbeit anfängt. Ihr Geheimnis? Sie teilt ihren Tag in vier Teile, die sie strikt einhält: „Zeit für Arbeit, Zeit für mein Kind, Zeit für mich und Zeit für meinen Mann. Das hilft mir, eine gesunde Balance zwischen den verschiedenen Bereichen meines Lebens zu halten.”
Der Partner spielt eine zentrale Rolle
Die Unterstützung des Partners spielt eine wesentliche Rolle im Leben der Mompreneure. 79% der Studien-Teilnehmerinnen sind verheiratet und 95% haben einen Partner, der zum Einkommen beiträgt.
Nicht nur finanziell, sondern auch auf praktischer und emotionaler Ebene ist die Unterstützung des Partners unentbehrlich für Gründerinnen mit Kind.
Best Practice:
So erklärt Katja Thiede, Mitgründerin des Coworking Space juggleHUB, in ihrem spannenden Beitrag für Edition F: „Ohne meinen Partner, der mir gerade jetzt, in der arbeitsintensivsten Phase seit Gründung, den Rücken frei hält (…) würde es nicht gehen. Es ist eine Zeit, die uns mehr als je zuvor als Team fordert. Als Team, das funktionieren muss, das eingespielt ist. Ganz unromantisch.“
Networking ist alles
Nicht nur in der Familie, sondern auch auf der Arbeit kann man von einem starken Team profitieren, selbst wenn man sich noch in der Gründungsphase befindet und die einzige Mitarbeiterin der eigenen Firma ist. Laut der 99designs-Studie profitieren über die Hälfte der Unternehmerinnen von einem Netzwerk aus anderen Unternehmern, die an ihrer Seite stehen und sie unterstützen.
Best Practice:
Julia Hartz, Mitgründerin und CEO von Eventbrite stimmt zu: „Baue dir eine Gemeinschaft aus Teammitgliedern, Beratern und Investoren auf, die dich jeden Tag aufs Neue inspirieren, antreiben und unterstützen. Lerne, andere um Hilfe zu bitten. Alle denken, es wäre mutig, alles allein machen zu wollen. Ich finde, es ist viel mutiger, um Hilfe zu bitten, wenn du sie brauchst.“
Der Weg zum starken Netzwerk
Es gibt viele Wege zum eigenen Netzwerk. Mütter, die länger aus dem Berufsleben raus sind, können häufig nicht auf ein gewachsenes Netzwerk aus früheren Anstellungen zurückgreifen. Doch gerade das ist ein wesentlicher Teil, wie potenzielle Auftraggeber aquiriert werden. Es bleiben also die klassischen Gründer-Plattformen: Auf Events, über Freunde und Bekannte und – vornehmlich – über digitale Plattformen und Soziale Medien.
Best Practice:
Kamales Lardi, Rednerin und Beraterin, erklärt: „Arbeitende Mütter haben eine limitierte Zeit um zu netzwerken, sich um Kunden zu kümmern und eine persönliche Marke aufzubauen. Mobile Geräte und Apps, Social Media und andere digitale Plattformen helfen diesen Unternehmerinnen, um in Verbindung zu bleiben, die Produktivität zu erhöhen und in weitere Regionen vorzudringen, vorausgesetzt, diese Mittel werden richtig eingesetzt. Ich empfehle allen Mama-Unternehmerinnen, diese Möglichkeiten der digitalen Technologien, die heute kostengünstig und verbreitet verfügbar sind, zu testen und zu nutzen.“
Gründerrat
Eine Übersicht wichtiger Events für Gründer findet ihr in unserem Terminkalender. Wichtige Netzwerke für Gründerinnen findet ihr in unserem Fachartikel „Frauenpower – Wichtige Netzwerke für Unternehmerinnen | Übersicht Teil 1„.
Weitere Unterstützungsmöglichkeiten und Ressourcen
Unterstützung bekommen selbstständige Mamas nicht nur von ihrem Partner und von anderen Unternehmern, sondern auch von verschiedenen privaten Initiativen und Vereinen. Zum Beispiel das Netzwerk Mompreneurs, das regelmäßige Treffen für Mama-Unternehmerinnen in verschiedenen Städten in Deutschland, Österreich und in der Schweiz organisiert. Außerdem profitiert die Plattform von einer lebendigen Online-Community, die sich in der geschlossenen Mompreneurs-Facebook-Gruppe und auf der Mompreneurs-Webseite über alle möglichen Themen austauscht.
Unternehmerinnen, die sich noch in der frühen Gründungsphase befinden, können außerdem in speziellen Co-working Spaces arbeiten, die auch Kinderbetreuung anbieten. Hier können sie arbeiten, sich inspirieren lassen und ein starkes Netzwerk aufbauen, ohne den Weg zur Kita, zur Tagesmutter oder zur Nanny. In Berlin gibt es mittlerweile viele solcher Spaces: einen Überblick der Coworking Spaces mit Kinderbetreuung in Berlin findet ihr hier.
Den eigenen Weg finden
Selbstständig zu arbeiten bietet viele Vorteile, unter anderen eine gewisse Freiheit und große Flexibilität, aber der Weg zur Selbstständigkeit ist nicht immer leicht. Eine Unternehmensgründung ist ein großer Schritt und darf nicht unterschätzt werden.
Jede Frau, die ihre eigene Karriere und ihren Drang zur Selbstverwirklichung mit dem Familienleben vereinbaren möchte, sollte ihre eigene Lösung finden und ihren eigenen Weg gehen – sei es, sich selbstständig zu machen, freiberuflich zu arbeiten oder eine Festanstellung in Teilzeit zu übernehmen.
Wichtig ist, sich in der Karriere und in der Familie erfüllt zu fühlen, eine gesunde Work-Life-Balance zu behalten und trotz der Herausforderungen immer motiviert zu bleiben. Dazu hilft, ein oder mehrere Vorbilder zu haben, die keine unerreichbaren Ideale sind, sondern echte Frauen, die es trotz der Schwierigkeiten geschafft haben.
Best Practice:
Der gleichen Meinung ist auch Julia Hartz, Mitgründerin von Eventbrite: „Ich glaube die weiblichen Führungskräfte von heute helfen, eine außerordentliche Generation von Unternehmerinnen zu formen durch ihre Bestärkung und Vorbildfunktion. Aber wir können nie genug von ihnen haben. Starke Vorbilder haben die Macht, die nächste Generation zu formen, und ich glaube, wir sind schon weit gekommen.“